Razzia: Endstation Berlin für Schleuser

Die Polizei nimmt 27 Personen wegen Schleuserkriminalität fest. Deren Organisation bringt Vietnamesen über Berlin nach England, wo sie mit Drogen Geld für die Familie verdienen.

Die Polizei konnte am Donnerstag eine der größten international agierenden Berliner Schleuserbanden zerschlagen. In Berlin, Brandenburg und Sachsen wurden insgesamt 26 Objekte durchsucht und Haftbefehle gegen zehn Vietnamesen und einen Deutschen vollstreckt. Weitere 16 Vietnamesen wurden festgenommen. Die Polizei beschlagnahmte Geld in fünfstelliger Höhe. "Die Summe ist noch nicht gezählt", sagte Frank Worm vom Landeskriminalamt.

Zeitgleich gab es Razzien in Frankreich. Dort wurden fünf Vietnamesen festgenommen. Hintergrund: Die Schleuser haben Vietnamesen aus armen, vom asiatischen Boom abgehängten zentralvietnamesischen Dörfern nach Europa geholt. "Es handelte sich um Garantieschleusungen, für die die Menschen 20.000 Euro zahlten", so Worm. Der Betrag liegt deutlich über dem für normale Schleusungen. Dafür wurde die Ankunft am Wunschziel garantiert - sogar nach Festnahmen. Oft hätten ganze Dörfer das Geld zusammengerappt, um einen Ernährer ins Ausland zu schicken, sagte Worm.

Berlin war jedoch nur Drehscheibe der Kunden. Das eigentliche Ziel war Großbritannien. Dort betreiben Vietnamesen im großen Stil Hanfplantagen in Wohnungen und schicken den Gewinn aus dem Drogenanbau ihren Angehörigen in Vietnam. Einen Verwandten in Großbritannien zu haben garantiert den Familien regelmäßige Geldflüsse. Dass auf Drogenanbau in Vietnam selbst die Todesstrafe steht, interessiert die Betroffenen wenig. "Wenn man in Großbritannien ins Gefängnis kommt, nachdem man vier oder fünf Ernten eingefahren hat, hat sich das Geschäft aus der Sicht vieler Betroffener gelohnt", sagte ein Kenner der Berliner Vietnamesen-Szene der taz. Er war für eine Frau als Dolmetscher tätig, die auf der Flucht in Berlin hängengeblieben war, weil sie hier erkrankte. "Ihr Mann baut auf der Insel Drogen an. Das weiß sie. Und das weiß auch ihre Familie in Vietnam."

Auch in Sachsen gab es bereits Einzelfälle von Indoor-Drogenanbau durch Vietnamesen. In Berlin sind solche Fälle noch nicht bekannt. Worm: "Einzelne der von der Organisation geschleusten Landsleute haben aber hier Zigaretten verkauft."

Kopf der nun gesprengten Schleuserorganisation war ein vietnamesisches Ehepaar aus Oberschöneweide im Alter von 23 und 27 Jahren. Seine Kunden wurden zunächst via Flugzeug nach Prag gebracht. Ganz legal. Von dort ging es mit Autos nach Berlin. "Wegen der großen vietnamesischen Gemeinde hier ist es leicht, einige Zeit unterzutauchen", so Polizeiermittler Worm. Berliner Vietnamesen versorgten sie und besorgten den Weitertransport mit ihren Autos.

Die verhafteten Schleuser erwartet jetzt eine Anklage wegen des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in 165 Fällen. Darauf steht Haft zwischen einem Jahr und zehn Jahren. Nach Polizeierkenntnissen machen Vietnamesen 30 bis 40 Prozent der Schleuserkriminalität in Berlin aus.

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