Historisches per Fahrrad: Aus Stein geschält

Auf neuen alten Wegen durch die Historischen Dörfer Portugals

Aldeia de Monsanto Bild: Henrique Maia

Tourismus, Atlantik und Strände sind weit entfernt. Abenteuerlich ist es hier. Urig. Märchenhaft die knorrigen Eichen, Kastanien- und Eukalyptusbäume, die Felsformationen aus alles überdauerndem Granit. Die Historischen Dörfer Portugals muten an wie verwunschene Inseln im Meer der Zeit mit modernem Komfort.

Zwölf vom Aussterben bedrohte Dörfer in der bergigen Mitte des Landes wurden mittels Fördermitteln restauriert und für den Tourismus ausgebaut. Kleine Schmuckstücke sind daraus geworden: Wir besuchen einige auf unserer achttägigen Tour: eine Zeitreise per Fahrrad.

Wir beginnen in der Templerstadt Tomar. Der erste Tag ist einer kleinen Ausfahrt rings um und in den Ort gewidmet. Der Aquädukt von Pegões aus dem 16. Jahrhundert hat hundertachtzig Bögen und ist sechs Kilometer lang. Darauf könnte man auch Rad fahren, erklärt Pedro, unser Radwanderführer. Doch das sei nichts für jedermann. Nun, für uns ist es nichts, und wir ziehen es vor, wieder gen Tomar zu radeln, um die mächtige Burg des Templerordens und den prachtvollen Konvent zu besuchen. Dass beide zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt wurden, wundert nicht.

Beeindruckende Felsformationen im zerklüfteten Gebirge lassen die Fantasie schweifen. Endlich stehen wir am Fuß des fünf Kilometer langen Anstiegs nach Marvão, wegen seiner Lage auch Adlerhorst genannt. Einige Adler beäugen uns von oben und kreisen über uns. Graue, raue Mauern aus Granit. In und um die Felsen wurden die Häuser gebaut. Auch innerhalb der Stadtmauern ist Grau die vorherrschende Farbe. Die Burg, ein Meisterwerk der Baukunst, ist aus demselben Material. Der Wind pfeift über das Plateau, das weite Blicke in die grüne Landschaft erlaubt, darüber wölbt sich ein stahlblauer Himmel.

In Portugals Mitte steht der Wind manchmal fast still, streift sanft über die Hügel. Er kann einem aber auch entgegenpfeifen wie heute: Selbst bergab müssen wir in die Pedale treten. In der Richtung auf Idanha-a-Velha, eines der Historischen Dörfer, kommt der Wind immer von vorn. Der Pelourinho des Ortes, der Pranger, steht auf drei Treppen. "Nicht schlecht", meint Pedro, "denn die Anzahl der Treppen zeigt die Wichtigkeit der Stadt während der Zeit des portugiesischen Königreichs."

Wir besuchen den Instrumentenmacher José Milheiro in seiner Werkstatt. Er macht die Rahmen für die Adufe, ein typisches Instrument arabischen Ursprungs. Maria, seine Frau, gibt eine Kostprobe und singt dazu. Auch dies ein Erfolg des Konzepts der Historischen Dörfer: Heute werden traditionelle Produkte wieder hergestellt und verkauft. Und nicht nur diese: Ältere Handwerker haben die Kunst, aus Granit Häuser, aus Kastanienholz Fensterrahmen zu bauen, an die Jungen weitergegeben. So wurde die Abwanderung aus den Dörfern gestoppt. "Boa viagem!", gute Reise, rufen uns ein paar Alte zu.

Die guten Wünsche können wir brauchen: Es folgt wieder ein steiler Anstieg, diesmal nach Monsanto, einem weiteren der Historischen Dörfer, das auf einer granitenen Gipfelspitze thront. Der Lohn der mühevollen Serpentinenfahrt ist das angeblich portugiesischste aller Dörfer. Dass man diesen Titel einst unter Salazar bekam, scheint niemanden zu stören. Stolz darauf ist man trotzdem. Die Gebäude, die Burg, alles ist direkt in die Felsen hineingebaut. Manches scheint sich förmlich aus dem bemoosten Stein herauszuschälen.

Die Abfahrt am nächsten Tag zum Dorf Sortelha ist grandios. Dort werden gerade alle Kabel unterirdisch verlegt, auch das Antennenmeer soll verschwinden. Das ist nötig, um den Status "Historisches Dorf" zu erlangen.

Mauer des "Adlerhorst" Marvão Bild: Adrião/CC

Das Ende der Tour gehört ganz dem Gebirge der Serra da Estrela und den Kastanien. In Trancoso erstehe ich ein Glas doce de castanha, süßes Kastanienmus.

Gleich hinter dem mächtigen Stadttor, dem Porta de El-Rei, ist das Lädchen, das sämtliche Spezialitäten der Region vertreibt. Und natürlich gibt es eine imposante wehrhafte Burg aus Granit. Schließlich musste das Land gegen die Angriffe der Spanier, Araber, Westgoten und Barbaren verteidigt werden. Die geheime Passion der Trancoser gehört jedoch den sardinhas doces, süßen Sardinen. Im 15. Jahrhundert gab es hier ein Konvent mit Nonnen, die das Meer so sehr vermissten, dass sie diese Süßigkeit in Sardinenform erfanden.

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