Kolumbianer warnen: Agrosprit schadet Kleinbauern

"Biosprit" klingt gut - doch drei Kolumbianer warnen: Die Ausweitung der Plantagen für die Rohstoffe bedroht Umwelt und Menschen.

Auch in Indonesien stark kritisiert: Palmöl-Anbau. Bild: dpa

BERLIN taz Wie gut sind Pflanzen im Tank? Die weltweit in Gang geratene Diskussion über den Anbau von Zuckerrohr, Mais und Palmöl für den so genannten Biosprit macht den Kolumbianern Henry Ramírez Soler, Diego Alejandro Cardona und Lidoro Hurtado Angst. Sie kämpfen für Menschenrechte und die Umwelt. Derzeit touren sie durch Europa, um auf die Gefahren der neuen Art des Tankens aufmerksam zu machen.

Denn vor allem in ihrem Land soll die Anbaufläche für Ölpalmen deutlich ausgeweitet werden. Kolumbien ist schon seit einigen Jahren der wichtigste Produzent von Palmöl in Lateinamerika - die Regierung und Paramilitärs begrüßen diese Entwicklung. Doch das schnelle Wachstum bedroht die kleinbäuerlichen Strukturen. "Es geht um Landraub, um Menschenrechtsverletzungen, um ökologische Schäden", klagt Cardona, der sich in der kolumbianischen Umweltschutzorganisation Censat Agua Viva engagiert. Er meint: "Die Importeure von Palmöl sind mitverantwortlich für die missliche Lage der Kleinbauern in Kolumbien", und greift so vor allem die deutsche Industrie an.

Deutschland importiert etwa ein Viertel der kolumbianischen Palmöl- und Palmkernöl-Ausfuhren. Der größte Teil davon steckt später in Margarine, Tütensuppen oder Keksen. Auch für Waschmittel und Hautcremes wird das Fett aus den Früchten der Ölpalme verwendet. Aber knapp ein Drittel der Importe landet als Brennstoff in der Energieerzeugung und als Kraftstoff in Personen- und Lastwagen. Und vor allem hier ist die Tendenz - steigend.

Denn in Deutschland muss Diesel zum Beispiel seit Anfang vergangenen Jahres 5 Prozent Agrosprit enthalten - und bis 2010 soll der Anteil auf 10 und bis 2020 auf 20 Prozent steigen. Das hat die Bundesregierung so angekündigt. "Mit der Beimischungspflicht und steigendem Energieverbrauch werden die Palmöl-Importe Europas zunehmen", prophezeien die kolumbianischen Umweltschützer - und sagen für viele Einwohner ihres Landes eine Krise voraus.

Die Regierung sieht das anders. Sie gibt vor, mit der Palmölproduktion das Land befrieden zu wollen. Ihre Strategie: Sie weitet die Plantagen aus. Und die Palmölproduktion soll Paramilitärs, die am derzeitigen Krieg im Lande nicht mehr teilnehmen, die Wiedereingliederung in ein ziviles Leben ermöglichen. "Dieser Plan geht aber nicht auf", sagt der Menschenrechtler Henry Ramírez Soler von der Menschenrechtsorganisation Justicia y Paz. "Da bleibt für indigene Lebensvorstellungen kein Platz mehr." Denn um für die entwaffneten Paramilitärs Arbeit zu schaffen, müssten Dorfbewohner ihre Äcker aufgeben. Dabei biete die afrokolumbianische, indigene und kleinbäuerliche Lebensform eine gute Möglichkeit, die Umwelt zu schützen, meint Lidoro Hurtado. Er ist Gemeinderat in Bajo Mira y Frontera im Bundesstaat Nariño. Auf ihren Felder wachse mal Mais, mal Yuca und mal eine Bananenstaude. Sie komme ohne viel Dünger und Ackergifte aus. Von der Ausbeutung der Natur durch Plantagenwirtschaft hielten sie nicht viel - Monokulturen sind zum Beispiel anfälliger für Schädlinge. Allerdings, sagt Hurtado, lasse sich dies mit den Vorstellungen von Regierung und Unternehmen oft nicht vereinbaren. Deshalb komme es immer wieder zu Zusammenstößen. Einige indigene Gemeinden versuchten auf ihr Land zurückzukehren, die Ölpalmen zu roden - und sich gegen die "aufgezwungene Modernisierung" zu wehren. Andere hätten resigniert. Sie versuchten sich mit der Palmölproduktion zu arrangieren. "Aber das Problem darf sich nicht verschärfen", warnt Hurtado. Damit die Palmölproduktion nicht noch weiter zulege, müssten vor allem Industrieländer über ihren Energieverbrauch nachdenken.

Volker Siegert, Sprecher der deutschen EOP Biodiesel AG, versucht zu beruhigen: "Ich glaube nicht, dass der Palmöl-Anteil in der deutschen Biodieselproduktion steigen wird." Palmöl werde schon dickflüssig, wenn die Temperatur unter 10 Grad Celsius fällt. Raps sei dagegen noch bei -14 Grad flüssig.

Und wie sieht es in der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie aus? "Nachhaltigkeit" stehe für sie an vorderer Stelle, sagen unisono die Sprecher von Unilever, Nestlé und Henkel. Sie seien direkt oder indirekt über Lieferanten in die Initiative "Roundtable on Sustainable Palm Oil" eingebunden: Industrie, Handel, Investoren, Produzenten und Nichtregierungsorganisationen wie die Umweltschutzorganisation WWF setzten Kriterien fest, die eine sozial- und umweltverträgliche Produktion von Palmöl ermöglichen sollen.

Plantagen, für die nach November 2005 funktionierender Wald gerodet wurde, gelten demnach nicht als "nachhaltig". "Auch die Landrechte müssen geklärt sein", sagt Markus Radday vom WWF. Allerdings: Unabhängige Drittkontrollen oder ein Label, das die Einhaltung der Kriterien garantieren soll, gibt es noch nicht. Die Bundesregierung hatte vergangenes Jahr die Ausarbeitung eines Zertifizierungssystems für importiertes Pflanzenöl in Auftrag gegeben. An dem Entwurf arbeiten derzeit die Mitarbeiter von Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) und seinem CSU-Agrarkollegen Horst Seehofer. Was sie unter "nachhaltig" verstehen, ist noch unklar.

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