Militaristisches auf N24: Crash! Boom! Bang!

Nach Feierabend verwandelt sich der Nachrichtensender N24 in ein Kriegsgebiet. "Unter Beschuss" oder "Die Schlacht von Iwo Jima" heißen die Dokus für den harten Mann von heute.

Kampfflugzeuge als Betthupferl: Das Abendprogramm bei N24. Bild: dpa

Der Panzer rast über eine befestigte Brücke auf das Ziel zu. Staub liegt in der Luft. Zwischen Geröll und Alltagsschutt ist das beige-braune Fahrzeug kaum mehr zu erkennen. Der Geschützturm dreht sich um 70 Grad, langsam, unaufhaltsam, mit tödlicher Präzision. Dann drückt jemand auf den roten Knopf. Crash! Boom! Bang! Es ist nun, um kurz vor Mitternacht, nicht sofort ersichtlich, ob es sich bei den militärischen Impressionen auf N24 um die Reportage eines embedded reporters über einen Angriff der Amerikaner in der Provinz Anbar handelt oder um die bei den Zuschauern so beliebte Dokumentation "Leopard - der beste Panzer der Welt".

Krieg und Krisen, bad good news im Allgemeinen sind das Kerngeschäft der Nachrichtenmedien, N24 aber schafft es, auch die restlichen Programmplätze mit Bildern von Panzern, Flugzeugträgern und anderen gewalttätigen Maschinen zu füllen. 5 Prozent der Sendezeit, so heißt es bei dem Sender selbst, sei dem Spezialgenre der militärischen Dokumentation gewidmet. Zwischen 20 und 24 Uhr dürfte dieser Anteil jedoch wohl eher 20 Prozent betragen.

Willkommen an der telemedialen Front von N24! Die Betthupferl für den harten Mann tragen Titel wie "Unter Beschuss - Panzerfahrzeuge im Einsatz", "Die Schlacht von Iwo Jima" und zeigen Tanks, Jets, Stealth-Boote und den ewigen Traum von der Stratosphären-Artillerie, stampfendes Metall, komprimierte Gase, glühendes Sein.

In der Nacht wird der Sender für den Geschäftsmann zum Sender für den einfacher gestrickten Mann. Da geht es um "die Kunst des Flirtens", die "Anatomie des weiblichen Körpers", tödliche Kometen und Supervulkane oder immer wieder über den "Alltag auf einem Flugzeugträger", Innovationen der Feuerwaffenindustrie oder den "Soldaten der Zukunft".

Das Interesse an Waffen wird dabei zur technischen Liebhaberei erklärt. PS, Top Speed und Einkaufspreis der tödlichen Maschinen erscheinen da doch wesentlich interessanter als die politischen Imperative oder humanitären Kosten ihres Einsatzes. Der Panzer als ultimatives Boy Toy. Die US-Dokumentationen über die Ostfront erinnern zuweilen an die beliebten Autoquartett-Duelle aus der Kindheit, wenn etwa die Leistungsstärke und der Charakter einer Armee mit bahnbrechendem Empirismus bewertet werden (der deutsche Soldat 1939: diszipliniert und gut ausgebildet; 1944 hingegen: leicht depressiv).

Und wenn Dieter Kronzucker dann bei "Kronzuckers Kosmos" über die "größten Maschinen der Welt" berichtet, dann macht man zwischen der Ingenieursleistung, einen gigantischen Hochofen zu bauen, und der, einen Schlachtkreuzer zu entwickeln, wirklich keinen Unterschied mehr - kein Zufall, dass große Teile des gesendeten Bildmaterials wirken, als wäre es den Autoren von der PR-Abteilung des Rüstungskonzerns Lockheed Martin freundlicherweise zur Verfügung gestellt worden.

Es ist ein Endlos-Loop der Rekorde und Massaker, die man irgendwann kaum mehr voneinander unterscheiden kann. Eine Dokumentation über den Grabenkrieg des Ersten Weltkrieges etwa berichtete einmal mit dem Gestus eines Sportreporters über einen genialen Spielzug der Engländer, die die deutschen Linien untertunnelten und dann den Hohlraum mit Sprengstoff füllten. Es folgte: der "größte von Menschen je geschaffene Knall", der "bis nach London zu hören war" und tausende bayerische Infanteristen unter der aufgewühlten Erde begrub.

In der Nacht ist das Fernsehprogramm voll von Sex und Gewalt, Hongkong-Cinema und dem ewigen Chuck Norris. Auf N24 aber erreicht die Militarisierung der Nacht eine neue Qualität. Muss man sich eigentlich Sorgen machen, dass die ganzen Explosionen und das Heulen von Sirenen und Motoren in unsere Träume eindringen? Sind wir deshalb manchmal so angespannt?

Krieg, hat der französische Philosoph und Medienkritiker Paul Virilio immer wieder betont, ist für den Zuschauer auch nichts anderes als ein Vulkanausbruch oder ein kometeninduziertes Armageddon. Eine Leistungsschau unserer Special-Effects-Industrie. N24 hat aus den Schriften des italienischen Futuristen Filippo Tommaso Marinetti, in denen er die transformative Kraft des Krieges lobt, ein Programmkonzept gesampelt: "Der Krieg ist schön, weil er neue Architekturen schafft, die geometrischen Fliegergeschwader, die Rauchsäulen aus den brennenden Dörfern [], weil er das Gewehrfeuer, die Kanonaden, die Feuerpausen, die Parfüms und Verwesungsgerüche zu einer Symphonie vereinigt."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.