AOL stellt Netscape ein: Das große "N" sagt Tschüss!

Einst der erfolgreichste Internet-Browser, verlor der Netscape Navigator in den letzten Jahren massiv an Marktanteilen. Nun stellt Anbieter AOL das Web-Urgestein offiziell ein.

Das letzte Aufbäumen vom guten alten Netscape. Bild: screenshot browsers.netscape.com

BERLIN taz Das Gnadenbrot reicht noch bis zum 1. Februar. Dann wird AOL Entwicklung und Unterstützung für die einstmals bekannteste Software im Internet einstellen - den Netscape Navigator. Selbst das ein oder andere Sicherheitsupdate soll es dann nicht mehr geben. Wer dann noch mit dem Programm surft, lebt also gefährlich. Mit neuen Versionen sei schon gar nicht zu rechnen, heißt es in einer Notiz im offiziellen Netscape-Weblog, das sich wohl auch bald verabschieden dürfte: "Wir empfehlen Ihnen, Mozilla Firefox herunterzuladen und auszuprobieren. Der gefällt Ihnen bestimmt."

Betroffen sind alle Versionen, die es von der Netscape-Software jemals gegeben hat: Von Version 1 bis zur letzten Variante 9, deren letzte Version erst vor wenigen Wochen erschien - alles Geschichte. Zur Begründung hieß es, der Umbau AOLs zu einem werbefinanzierten Online-Geschäft lasse es nicht mehr zu, genügend Mittel in die Entwicklung einer solchen Software zu stecken. "Obwohl interne AOL-Gruppen mit viel Zeit und Energie versucht haben, Netscape Navigator zu beleben, gelang es nicht, Microsofts Internet Explorer Marktanteile abzunehmen", so das Unternehmen in einer Stellungnahme.

Wer vor 10 Jahren ins Internet ging, tat das normalerweise mit dem Programm mit dem großen, weißen N im Logo. Die Software ebnete Millionen von Menschen den Weg ins Web, bis Microsofts Internet Explorer (IE) in den so genannten "Browser-Kriegen" in der letzten Hälfte der Neunzigerjahre den Netscape-Marktanteil immer weiter dezimierte. Der Konzern hatte dabei eine zentrale Waffe: Er baute den IE in Windows ein, was schließlich zu einem großen Kartelverfahren führte, dessen Konsequenzen sich allerdings für die Bill Gates-Firma in Grenzen hielten.

Netscape wurde schließlich 1998/99 vom damals bedeutenden Online-Dienst AOL übernommen. Seither dümpelte das einstige Online-Flaggschiff jedoch nur noch mehr oder weniger vor sich hin. Zwar wurden regelmäßig neue Versionen der Software auf den Markt gebracht, doch diese basierten ab Version 6 vor allem auf den Anstrengungen der Open-Source-Szene, der man mit dem Mozilla-Projekt den Netscape-Quellcode "geschenkt" hatte - eine Wohltat, von der das Internet allerdings noch heute profitiert.

Die letzten Versionen 8 und 9 waren schließlich nur noch für AOL optimierte Varianten des im Mozilla-Projekt entstandenen (und inzwischen enorm erfolgreichen) Firefox-Browsers. Zwischenzeitlich wurden auch noch die letzten Entwickler des Unternehmens entlassen und die wenige noch notwendige Programmierleistung ausgelagert. Die Firmenwebsite "Netscape.com", einst ein wichtiges Portal, wurde kurzzeitig als Web 2.0-Variante überholt - doch der Versuch ging gründlich schief. Sie lebt inzwischen als altertümliches Portal weiter, das seine Inhalte von der AOL-Hauptseite bezieht.

Dass AOL nun eine der bekanntesten Markenprodukte des frühen Internet komplett einstellt, scheint da eigentlich nur konsequent. Für den Nutzer ändert sich nämlich wenig: Die Arbeitsleistung, die bei Netscape einst durchgeführt wurde, steckt wie erwähnt in Teilen in Firefox; der Navigator hatte zuletzt als Einzelprodukt einen Marktanteil, der nur bei noch knapp einem Prozent gelegen haben soll.

Für AOL erweist sich der einstige Aufkauf Netscapes damit als riesiger Flop: 4,2 Milliarden Dollar in Aktien ließ man sich den Deal 1998/99 kosten und wollte so zur "neuen Supermacht der High-Tech-Branche" werden. Stattdessen ging es mit AOL nach einem kurzen und heftigen "New Economy"-Aufstieg, der umstrittenen Fusion mit dem Medienkonzern Time Warner, wieder bergab. Inzwischen gehört der Konzernbereich zu den Sorgenkindern, dessen Umsatz laut den letzten Zahlen im November schrumpfte.

Die alteingesessene Online-Nutzerschaft wird mit Wehmut auf das Netscape Navigator-Ende schauen, kann aber mit Mozillas Firefox längst auf eine ausgefeilte Alternative zu Microsofts Internet Explorer zurückgreifen. Marc Andreessen, Mitbegründer von Netscape, war das Ableben jedenfalls nicht einmal eine Zeile in seinem Weblog wert.

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