Ein Rentner kämpft gegen Chinas Zensur: Herr Chen, die Hunde und das Internet

Ein mutiger chinesischer Hundefreund wurde Opfer der Web-Zensur in seinem Land, weil er die Tiergesetzgebung kritisierte. Der ehemalige Ministerialbeamte will nun die Regierung verklagen.

Muss sich nicht an das Größenlimit der Hundegesetze halten: Polizeihund in Peking. Bild: ap

BERLIN taz Die Pekinger Staatsdiener haben auch das Thema Tierhaltung genauestens geregelt. Hunde mit einer Höhe von mehr als 35 Zentimetern sind demnach verboten in der Millionenstadt. Und mehr als ein Tier pro Familie kommt schon gar nicht in die Stadt. Chen Yuhua, ein 65jähriger ehemaliger Ministerialbeamter im Wirtschaftsministerium, der inzwischen in Rente ist, findet diese Regelungen "aberwitzig" - und verschaffte deshalb seiner Meinung auf der Website "Chinapet.com" Luft, die er zusammen mit anderen Tierfreunden betreibt.

Die Antwort auf die Kritik war typisch chinesisch: Chens Posting wurde von einem der Tausenden von Internet-Zensoren, die im so genannten "Büro für öffentlichen Sicherheit und Propaganda" das Netz überwachen, über den Provider gesperrt. Das habe ihn wütend gemacht, sagte Chen.

Was dann folgte, ist ein Lehrstück in Sachen Meinungsfreiheit: Chen setzte eine Beschwerdekaskade in Bewegung. Zuerst schrieb er an den Bürgermeister Pekings, dann an den Gemeiderat, um zu erfahren, warum er diese Äußerungen denn nicht aufstellen dürfe. Eine Antwort blieb erwartungsgemäß aus. Also nahm sich der Mann einen Anwalt, um eine Klage einzureichen. "Ich war sehr vorsichtig, den korrekten Weg einzuhalten", sagte Chen der Washington Post, die den Fall nun publik machte.

Die mindestens 30.000 Zensurbeamte der Regierung sind derartige Reaktionen nicht gewohnt. Sie regieren mit eiserner Hand gegen Klein wie Groß: Da werden dann schon mal ganze Suchmaschinen, Online-Dienste wie Skype oder ausländische Nachrichtenangebote blockiert, von kritischen inländischen Äußerungen ganz zu schweigen. Wer sich besonders politisch kritisch äußert, landet im Gefängnis - die Provider müssen in diesem Fall die Daten enorm schnell herausrücken, wie auch ausländische Internet-Anbieter feststellen mussten, die auf den boomenden chinesischen Markt vordringen wollen. (Der US-Internetkonzern Yahoo trug so zu langjährigen Gefängnisstrafen zweier Dissidenten bei, musste deshalb vor dem US-Kongress zu Kreuze kriechen und die Betroffenen finanziell unterstützten.)

Chens Einschreiten gegen Zensur ist einer der noch sehr wenigen Fälle dieser Art. Laut Washington Post gab es bislang nur einen ähnlich gelagerten Versuch, die Zensur durch die Kommunistische Partei gerichtlich rückgängig zu machen. Dabei hatte sich ein Anwalt beschwert, dass seine Blog-Texte über Korruptionsprobleme in dem Land zensiert worden seien. Er habe nie ein Gesetz damit verletzt, begründete der Rechtsvertreter seine Klage, die im August eingereicht wurde und derzeit in der Berufung ist. Er habe sich nur über bereits bekannt gewordene Fälle geäußert.

Hundefreund Chen sieht das ähnlich - er habe die Gesetze seines Landes und die Bestimmungen und Äußerungen der Partei zum Thema gelesen und sei zu dem Schluss gekommen, dass die Zensoren nicht das Recht gehabt hätten, seinen Beitrag löschen zu lassen. Chen hat sich dazu sogar ein Zitat des Präsidenten Hu Jintao zurecht gelegt, der beim letzten Parteikongress im Oktober eine transparente Regierung und den Weg der "wissenschaftlichen Entwicklung" gefordert habe. Das, was bei der Tiergesetzgebung passiere, sei eben nicht wissenschaftlich. "Es ist so lustig, das jemand einen 35 Zentimeter großen Hund haben darf, aber keinen, der 36 Zentimeter hat."

Bislang sind Chens Bemühungen allerdings nicht vorangekommen. Das erste Gericht, bei dem er seine Klage einreichte, wies sie Mitte Dezember ab - nicht ohne sich den Rat eines höher angesiedelten Richters zu holen. Der Tierliebhaber will deshalb nun, sollte es nötig sein, das Verfahren bis zum Obersten Gerichtshof weitertreiben. Bis dahin kann ihm die KP allerdings noch viele Steine in den Weg legen.

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