Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Ärger mit der Arge

Die Arbeitsgemeinschaften, die für die Betreuung der Hartz-IV-Empfänger zuständig sind, sind verfassungswidrig. Bis 2010 muss nun eine Neuregelung erfolgen.

Die Verfassungrichter in Karlsruhe waren bei dem Urteil gespalten. : ap

KARLSRUHE taz Die 2005 gebildeten Arbeitsgemeinschaften (Argen) zur Betreuung von Langzeitarbeitslosen sind verfassungswidrig. Dies entschied am Donnerstag der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts auf Klage einiger Landkreise. Die Zusammenarbeit von Kommunen und Arbeitsagenturen sei eine unzulässige Mischverwaltung. Der Bundestag hat jetzt bis Ende 2010 Zeit, eine neue Struktur für die Hartz-IV-Verwaltung zu finden.

Ziel der Hartz-IV-Reform war es, Arbeitslosen soziale Hilfen und Arbeitsvermittlung "aus einer Hand" zu geben. Bis dahin waren die Kommunen für die Auszahlung der Sozialhilfe und die Arbeitsämter für die Arbeitslosen zuständig. Dieses Nebeneinander führte aber dazu, dass viele Sozialhilfeempfänger nur noch verwaltet wurden.

Seit 2005 gibt es nun die Argen, oft auch Jobcenter genannt, die die Arbeitslosen als einheitliche Behörde betreuen. Nur 69 Landkreise konnten aufgrund einer Ausnahmeklausel allein für die Arbeitslosen sorgen. Das war der Kompromiss eines langwierigen Gesetzgebungsverfahrens.

Doch nicht alle Kompromisse sind gut. Die Einführung der Argen verstieß nach Karlsruher Ansicht gegen die kommunale Selbstverwaltung. Diese umfasse auch das Recht, die Aufgaben grundsätzlich mit eigenem Personal und eigener Organisation zu erledigen. Bei einer Mischverwaltung müssten dagegen auch im Behördenalltag ständig Kompromisse geschlossen werden, so dass die Bürger nicht mehr wissen, wer eigentlich die Verantwortung trägt.

Problematisch war für die Richter vor allem, dass die Kommunen zur Zusammenarbeit mit einer Bundesbehörde, der Agentur für Arbeit, verpflichtet wurden. Diese gab zum Beispiel eine bundeseinheitliche Software vor, die regionale Gestaltungsspielräume stark reduzierte. Auch freiwillig, so das Gericht, dürften die Kommunen nicht auf ihre Zuständigkeiten verzichten.

Die Entscheidung war am Verfassungsgericht allerdings stark umstritten und fiel nur mit fünf zu drei Richterstimmen. Die Minderheit, die aus zwei linken und einem konservativen Richter bestand, hielt die Argen für verfassungskonform, weil Kommunen und Arbeitsagenturen nach ihrer Auslegung durchaus die Letztentscheidung für ihren Bereich behielten. Freiwillige Kompromisse seien nicht verboten, so die Minderheit.

Wie geht es nun weiter? Für die Hartz-IV-Empfänger ändert sich bis auf weiteres nichts. Die Argen bleiben zunächst bestehen und zahlen wie gewohnt die Leistungen aus. Arbeit hat nun aber der Gesetzgeber, der binnen drei Jahren eine neue Struktur finden muss. Konkrete Vorgaben machte das Gericht hierzu nicht.

Der Landkreistag fordert, dass künftig die Kommunen die Arbeitslosen aus einer Hand betreuen, so wie dies schon bisher im Modellversuch mit 69 Kommunen gut klappe. Allerdings ziehen nicht alle an einem Strang. Die größeren Städte wollen überwiegend auf die Sachkompetenz der Arbeitsagentur nicht verzichten. Der Städtetag schlägt daher Kooperationsmodelle vor, bei denen die Behörden unter einem Dach sitzen, aber sachlich getrennt bleiben. So läuft dies auch in einigen Landkreisen, die bisher einfach keine Arge gegründet haben. Dieses Modell favorisiert auch Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD).

Denkbar wäre auch eine reine Bundeslösung. Die Agentur für Arbeit kann sich durchaus vorstellen, dass sie die Langzeitarbeitslosen mit eigenem Personal, also ohne Kommunen, sozial betreut.

Und falls in drei Jahren die Argen so gut arbeiten, dass niemand Lust zu einer neuen Umgestaltung hat, gibt es auch noch eine vierte Lösung: eine Änderung des Grundgesetzes: Bei Hartz IV würde demnach ausnahmsweise Mischverwaltung erlaubt.

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