Krise im Kongo: Kongos Armee in Auflösung

Die Niederlage der Regierungsarmee im Osten Kongos gegen die Tutsi-Rebellen von Laurent Nkunda ist katastrophal. Regierungssoldaten desertieren.

Letzte Bastion: die UN-Blauhelme. Die Regierungssoldaten sind fast alle geflohen. Bild: dpa

BERLIN/BRÜSSEL taz Die Rebellen des kongolesischen Tutsi-Generals Laurent Nkunda haben triumphiert. Kongos Regierungsarmee hat alle Positionen im Rebellengebiet der östlichen Provinz Nord-Kivu, die sie seit Beginn des Krieges gegen Nkunda Ende August erobert hatte, wieder verloren. Und nachdem fast die gesamte Armee in die Offensive gegen Nkunda geworfen worden war, befindet sie sich jetzt in Auflösung.

Drei komplette Brigaden, die an vorderster Front der Kämpfe gegen Nkunda standen, haben sich in alle Winde zerstreut. Manche Soldaten fliehen per Boot über den Kivu-See in die Nachbarprovinz Süd-Kivu, andere haben die Uniform abgelegt und sind als Zivilisten in die Provinzhauptstadt Goma gelaufen, wieder andere schlagen sich in den Wald. Gestern appellierte der Generalstab der Armee an alle verschollenen Soldaten, sich in Sammellagern zu melden.

Nkundas Rebellen brauchten nur wenige Tage, um die Regierungstruppen zu verjagen, die vorige Woche in ihre Hochburgen in den Masisi-Bergen vorgestoßen waren. Tagelang hatten die Regierungssoldaten zuvor vermutete Rebellenstellungen beschossen. Als ihre Munition alle war, nahm Nkunda sie unter Beschuss, und sie flohen in Panik. Die Nkunda-Kämpfer stehen nun am Rande der strategischen Kleinstadt Sake am Fuße der Masisi-Berge 30 Kilometer westlich von Goma, wie vor drei Monaten.

Zwischen Nkunda und dem 500.000 Einwohner zählenden Goma stehen jetzt laut Augenzeugen nur noch UN-Blauhelme und eine Handvoll Regierungssoldaten an einer Straßensperre. Alle anderen Regierungstruppen sind geflohen. Die UN-Mission im Kongo (Monuc) wiederholte am Mittwoch, sie werde Sake und Goma militärisch verteidigen. Ein Sprecher Nkundas rief die Regierung zu Gesprächen "über die Organisierung einer modernen Armee" auf.

Das Regierungsdebakel dürfte weitreichende Folgen haben. Innerhalb des Militärs tobt bereits Streit um mögliche Verräter - einige hochrangige Generäle des Kongo, darunter Armeechef General Amisi, waren während des Kongokrieges 1998 bis 2003 in der gleichen Rebellengruppe wie Nkunda aktiv. Amisi, besser als "Tango Fort" bekannt, wurde nun zum Rapport nach Kinshasa bestellt - angeblich in Handschellen. Sollten noch mehr ostkongolesische Offiziere unter Pauschalverdacht geraten, könnte Kongos neue geeinte Armee in ihre ehemaligen Bürgerkriegsbestandteile auseinanderfallen und die zerbrechliche Einheit des Landes wäre dahin.

Diplomatische Beobachter warnen, Kongos Präsident Joseph Kabila verlasse sich zunehmend auf militärische Lösungen politischer Probleme. Mangels militärischer Stärke sei diese Strategie zum Scheitern verurteilt, sagte der ehemalige EU-Sonderbeauftragte Aldo Ajello am Mittwoch in Brüssel: "Man sollte nicht mit den Muskeln spielen, wenn man keine hat." Dass Kabila den letzten Gipfel zu den Krisen der Region in Addis Abeba sowie den EU-Afrika-Gipfel in Lissabon boykottiert habe, zeuge von mangelnder Dialogbereitschaft.

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