R&B- Nachwuchs Rihanna im Konzert: "Umbrella-Ella-Ella-Eh-Eh-Eh"

Sie ist eine Sängerin ohne Eigenschaften. Aber auch eine mit großen Hits: Rihanna spielte in der bis unters Dach ausverkauften Columbiahalle.

Es ist okay, einen Latexfetisch zu haben: Rihanna. Bild: ap

Die große Kunst der Hitsingle! Würde man sie beherrschen, man würde den Rest seiner Tage wohl mit nichts anderem mehr verbringen, als sich Hooklines auszudenken wie "Under My Umbrella-Ella-Ella-Eh-Eh-Eh. Under My Umbrehella-Ella-Ella-Eh-Eh-Eh". So ist es aber leider nicht. Deshalb steht man beim Berliner Konzert der R-&-B-Sängerin Rihanna am Montagabend in der bis unters Dach ausverkauften Columbiahalle auch im Publikum und nicht auf oder hinter der Bühne, als sie das Stück von dem Regenschirm singt, unter dem sie Platz machen möchte, jetzt wo die Sonnentage vorbei sind. Es ist die wahrscheinlich beste Single dieses Jahres, eine der erfolgreichsten ohnehin. Ganz großes Songwriting aus der Motown-Schule, eine komplizierte Beziehungsgeschichte, die Platz in einem einfachen Bild findet. Und ein Uptempo-Beat, der mit Gesangslinie, mächtiger Gitarrenwand und Streichergestreichel eine überraschende Allianz eingeht.

Es ist nicht die einzige. "Good Girl Gone Bad", das aktuelle Album der 19-jährigen Sängerin, die vor drei Jahren von Talentscouts des Rappers Jay-Z auf ihrer Heimatinsel Barbados entdeckt wurde, ist voll davon. Es ist ihr drittes Album, und im Sinne des Adoleszenzdramas, das jeder minderjährige Star aufführt, markiert es den Moment des Frechwerdens. Rebellion wäre etwas hoch gegriffen, schließlich geht es vor allem um Dinge wie, sich die Haare abzuschneiden, ohne der Mama Bescheid zu sagen (wenn auch in Abstimmung mit dem Management).

In Anbetracht der Hitdichte in Rihannas bisherigem Oeuvre war es dann aber erstaunlich zu sehen, wie grundsätzlich eigenschaftslos Rihanna sich auf der Bühne ansonsten präsentierte. Ja, es gab ein paar Kostümwechsel, vom Latex-Mini in ein schwarzes badeanzugähnliches Teilchen. Aber wenn man den R & B der vergangenen Jahre mit seinen weiblichen Empowermentgesten auch als einen großen Zirkus der Identitätspolitik lesen konnte, als ein Feld, in dem viel darüber gesungen wurde, was es heißt, sich seinen Spaß nicht diktieren lassen zu wollen, dann war man am Montagabend mit Rihanna in einer anderen Manege. Selbstbestimmter Sex war hier weniger das Thema. Es ging eher um so etwas wie: ist okay, einen Latexfetisch zu haben, der dazugehörige Club ist um die Ecke.

Was natürlich auch schön ist (und irgendwie überraschend für eine Sängerin, deren Fans zum überwiegenden Anteil aus Mädchen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren besteht), aber klassischerweise eher das Feld von Eurotrashgruppen wie den zu Unrecht vergessenen Brooklyn Bounce. Ein erstaunlicher Anblick aber nicht nur für den Theoretiker des Geschlechterverhältnisses, sondern auch für den, der den US-amerikanischen R & B als hohe Schule der Stilsicherheit wahrnahm.

Tatsächlich überraschte Rihanna aber auch mit etwas anderem: kein R-&-B-Star der letzten zwanzig Jahre hat einen vergleichbar weißen Sound. Ob es der harte Rocksound ist, den sie ständig bemüht, oder das gerade Four-To-The-Floor-Gebolze - ähnlich nah war der amerikanische R & B seit den frühen Achtzigern nicht mehr am Sound der Abschleppläden von Mallorca. Ein so faszinierender wie erschreckender Anblick.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.