Hungertod einer Fünfjährigen: Haftbefehl gegen die Eltern

Die Staatsanwaltschaft Schwerin ermittelt wegen Verdachts auf gemeinschaftlichen Totschlag gegen die Eltern der 5-jährigen Lea-Sophie. Das Kind ist verhungert und verdurstet

Mahnwache vor dem Haus in Schwerin-Lankow, in dem Lea-Sophie lebte. Bild: dpa

SCHWERIN taz Nach dem Tod der fünfjährigen Lea-Sophie hat die Staatsanwaltschaft Schwerin gestern Haftbefehl gegen die Eltern des Mädchens beantragt. Man ermittle wegen des Verdachts auf "gemeinschaftlichen Totschlag", sagte der Schweriner Oberstaatsanwalt Hans-Christian Pick. Die Obduktion der Leiche habe ergeben, dass das Mädchen verhungert und verdurstet sei. Es wog nur noch 7,4 Kilo. Den acht Wochen alten Bruder von Lea-Sophie brachte das Jugendamt in einer Pflegefamilie unter.

Am Dienstagabend war Lea-Sophie in die Schweriner Helios-Klinik eingeliefert worden, nachdem der Vater den Notarzt gerufen hatte. Sie starb in der Nacht zum Mittwoch. Eine Ärztin, die das Mädchen im Krankenhaus sah, sprach gegenüber der Schweriner Volkszeitung von "Hungerödemen" und "offenen Wunden am Körper". Die Haare wären Lea-Sophie "büschelweise ausgefallen", ihr Körper war von Fäkalien verdreckt. Offenbar sei das Kind über Monate vernachlässigt worden.

Dabei hatten nur 14 Tage vor dem Tod des Mädchens zwei Mitarbeiter des Jugendamts die Familie aufgesucht, nachdem bei der Behörde ein anonymer Hinweis eingegangen war. Die Mitarbeiter hätten jedoch "keine Auffälligkeiten festgestellt", sagte der Schweriner Sozialdezernent Hermann Junghans auf einer eilig anberaumten Pressekonferenz am Mittwoch. Beim Verdacht auf Kindeswohlgefährdung gebe es ein "konkret geregeltes Verfahren, das abgearbeitet wird". Er habe keine Hinweise, dass die Mitarbeiter des Jugendamtes sich nicht an diese Vorschriften gehalten hätten.

Lea-Sophie hatte mit ihren Eltern in der Schweriner Plattenbausiedlung Lankow gelebt. Aufgefallen sei die Familie nur, weil sich die Nachbarn über deren Hunde beklagten, berichtete der Vorsitzende der Schweriner Wohnungsbaugenossenschaft, Wilfried Wollmann, der Schweriner Volkszeitung. Bei einem klärenden Gespräch im Frühjahr habe das Mädchen einen "artigen und gut erzogenen Eindruck" gemacht. Sie sei schmächtig gewesen, habe aber nicht unterernährt gewirkt. Später habe er noch einmal Kontakt zur Familie aufgenommen, weil sie die Betriebskostennachzahlung nicht leisten konnte. Bei diesem Gespräch sei Lea-Sophie allerdings nicht dabei gewesen.

Die Leiterin des Jugendamtes, Heike Seifert, räumte ein, es habe auch in der Vergangenheit Fälle in Schwerin gegeben, bei denen Kinder wegen Unterernährung ins Krankenhaus mussten. Die Zahl der Fälle von "Kindeswohlgefährdung" sei in Schwerin gestiegen, bestätigte Sozialdezernent Junghans. Im ersten Halbjahr 2007 seien 86 Fälle angezeigt worden, im ganzen Jahr 2006 133. Im Jahr 2005 lag die Zahl bei 42.

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