Vorwahlkampf Hessen: Koch rückt vom Nachtflugverbot ab

Die Lufthansa droht damit, ihre Flotte zu verlagern, falls das Verbot bleibt. Für Hessens Parteien könnten das Thema Nachtflug zum Wahlkampfthema werden.

Das sieht zwar hübsch aus, nervt aber die Anwohner. Bild: ap

FRANKFURT/MAIN taz Bisher lautete das Angebot von Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) so: Falls aus der Erweiterung des Frankfurter Flughafens nichts werde, müsse auch nachts geflogen werden. Wenn der Flughafen dagegen ausgebaut werde, würden Starts und Landungen in der Nacht verboten. Denn mit der neuen Landebahn im Kelsterbacher Wald werde auch der Lärmpegel in der dicht besiedelten Region ansteigen. Den gestressten Bürgern sollte wenigstens die Nachtruhe garantiert werden.

Nun ist Roland Koch von seiner Position abgerückt: "Es bleibt beim Nachtflugverbot im Ausbaufall", sagte er in einem Interview mit dem Darmstädter Echo, "aber es wird durchaus auch nach dem Landebahnbau noch Nachtflüge geben." Die Äußerung ist brisant, denn Ende Januar wird in Hessen gewählt. Im bevölkerungsreichen Rhein-Main-Gebiet könnte der Streit um den Großflughafen zu einem der wichtigsten Wahlkampfthemen werden.

Kochs neue Sichtweise ist bei den Verfechtern eines unbedingten Nachtflugverbots aus den Reihen der FDP schnell angekommen. Die Liberalen könnten nach der Wahl zum Koalitionspartner der bisher allein regierenden CDU werden. Politisch sei das Nachtflugverbot zwar erwünscht, erklärte jetzt der FDP-Landtagsabgeordnete Dieter Posch. Doch nicht alles, was gewollt sei, lasse sich realisieren.

Bei den Politikern machen die Fluggesellschaften Druck. Alleine die Lufthansa besteht nach dem Ausbau auf wenigstens 41 Nachtflügen. Zum mit dem Frankfurter Flughafen liierten Regionalflughafen Hahn im weniger dicht besiedelten Hunsrück will nachts keine Frachtfluglinie ausweichen. Hahn ist nicht ans Schienenetz angebunden, eine Bundesstraße wird gerade erst ausgebaut.

So könnte es passieren, dass nach dem Ausbau des Rhein-Main-Flughafens dort mehr Maschinen nachts landen und starten als die 37 Flugzeuge bisher. Die Lufthansa drohte bereits mit der Verlegung ihrer Flotte nach München, falls es in Frankfurt zum absoluten Nachtflugverbot kommen sollte. Eine Hiobsbotschaft. Der Flughafen ist ein Jobmotor in der Region. Mit dem Ausbau würden ab 2011 noch rund 100.000 neue Arbeitsplätze zusätzlich entstehen, prophezeite Koch kürzlich. Wer also könnte dagegen sein?

Die Grünen etwa. Als einzige Partei im Landtag lehnen sie den Flughafenausbau bedingungslos ab. Sie sind damit zum parlamentarischen Arm der Bürgerinitiativen gegen den Flughafenausbau und der widerspenstigen Gemeinden rund um den Airport avanciert. Das gab es in Hessen schon mal. Vor mehr als 25 Jahren beim gemeinsamen Kampf der außerparlamentarischen Startbahnbewegung und der Grünen im Hessischen Landtag gegen den Bau einer neuen Rollbahn.

Doch heute befindet sich die Region nicht im Ausnahmezustand. Die SPD steht nicht wie damals vor einer Zerreißprobe. Allerdings müssen sich die Sozialdemokraten fragen lassen, ob sie weiter zum Nachtflugverbot als unverzichtbare Voraussetzung für ihre Zustimmung zum Flughafenausbau stehen - oder wie Koch und die FDP eher nicht mehr. Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti sagt, das Nachtflugverbot sei unverzichtbar. Dann aber müsse die SPD den Antrag auf Ausbau ablehnen, falls das Nachtflugverbot tatsächlich aufgeweicht werde, konstatiert Grünen-Chef Tarik Al-Wazir. Dass Koch das Nachtflugverbotsversprechen bricht, steht für Al-Wazir außer Zweifel. Für die SPD könne es dann nur eine Konsequenz geben: "Ein Votum gegen den Ausbau." So wäre auch ein Stolperstein auf dem Weg zu Rotgrün aus dem Weg geräumt.

Noch dieses Jahr will Wirtschaftsminister Alois Rhiel (CDU) den Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau vorlegen. Darin könnte die Zahl der Nachtflüge fixiert sein. Oder aucht nicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.