Wahlen im Kosovo: Truppen stellen sich auf Ernstfall ein

Die Offiziere der aus 35 Ländern zusammengesetzten KFOR-Truppen im Kosovo, insgesamt 16.000 Mann, sind nervös geworden.

Am 10. Dezember wollen die Albaner die Unabhängigkeit ausrufen. Dann wird es kritisch. Bild: reuters

PRISHTINA taz Mit energischem Schritt eilt General Gerhard Stelz zu dem wartenden Hubschrauber. Der zurzeit höchste deutsche Militär im Hauptquartier der internationalen KFOR-Truppen, gelegen auf einem Hügel über Prishtina, fliegt in den Sektor Ost. So jedenfalls erklärt der Presseoffizier, Oberstleutnant Walter Schmidt. Und das heißt im Sprachgebrauch der Militärs: Der General fliegt zum amerikanischen Sektor. Dorthin, wo es schon bald brenzlig werden dürfte.

Seit dem 8. November wurden 500 deutsche Soldaten zusätzlich ins Kosovo geschafft - und erst einmal in den Sektor Ost. Kein Zweifel, die Offiziere der aus 35 Ländern zusammengesetzten KFOR-Truppen, insgesamt 16.000 Mann, sind nervös geworden. Denn das magische Datum 10. Dezember rückt näher. An diesem Tag wollen die Albaner die Unabhängigkeit des Landes ausrufen. Dann wird es kritisch für die internationalen Truppen. Überraschen lassen wie damals, Ende März 2004, wollten sie sich nicht mehr, erklärt Oberstleutnant Schmidt.

Als damals - für die Militärs völlig unerwartet - militante Albaner UN-Fahrzeuge angriffen und vor ihren Augen sogar serbische Häuser und Kirchen niederbrannten, machten die KFOR-Truppen nicht gerade die beste Figur. Es kam sogar zu Schießereien zwischen Serben und Albanern in der geteilten Stadt Mitrovica, ohne dass die KFOR dies verhindern konnte. Und die jetzt im kosovarischen TV ausgestrahlten Bilder von bewaffneten Albanern und Informationen über paramilitärische Serben im Norden des Landes lassen für die Zeit nach dem 10. Dezember nichts Gutes ahnen. Dann müssen die serbischen Enklaven im Süden des Landes vor Angriffen durch militante Albaner geschützt werden.

Und wieder wird wohl die im französischen Sektor liegende Stadt Mitrovica im Zentrum der möglichen Auseinandersetzungen stehen. Denn nördlich der Stadt schließt sich ein ziemlich geschlossenes serbisches Siedlungsgebiet mit direkter Grenze zu Serbien an. Diese Grenze ist löchrig und bietet im Ernstfall serbischen Paramilitärs Nachschubwege. Die von der KFOR nicht kontrollierte Nebenstraßen über die Berge könnten von den Serben als Kriegsstraßen genutzt werden. Neben den Hauptstraßen existieren zudem sogenannte Bypasse. Es sind die Grenzstationen umgehende Verbindungen, über die bisher allerlei Schmuggelware ins Land gelangt ist. Wenn die Regierung Kosovos die Unabhängigkeit von Serbien ausruft und die serbischen Gebiete ihrerseits ihre Unabhängigkeit von Kosovo behaupten wollen, sind bewaffnete Zusammenstöße vor allem in dieser Region zu befürchten.

Um dies zu verhindern, haben die KFOR-Truppen den Stützpunkt "Nothing Hill" inmitten dieses Gebietes platziert. Man habe aus den Fehlern von 2004 gelernt, sagt Oberstleutnant Schmidt. Die Struktur der KFOR sei seither umgebaut worden. Die Truppen seien nun als Task-Forces aufgestellt, seien beweglich geworden, könnten leicht von einem Teil Kosovos in den anderen gebracht werden, um ihr Mandat zu erfüllen. Und das bestehe vordringlich darin, ein sicheres Umfeld zu schaffen und die Bewegungsfreiheit der Bürger zu garantieren.

Hinter den Kulissen hat es aber schon manchen Streit gegeben. Darüber möchten Militärs nicht reden. Der letzte ist gar nicht so lange her. Und er wurde öffentlich. Denn die USA drohten vor drei Wochen erst mit dem Abzug ihrer Truppen aus dem Kosovo wegen der europäischen Haltung in Afghanistan. Die USA müssten dort den Kopf hinhalten, und die Europäer hielten sich heraus, klagten sie. In Kosovo hatte sich ähnliches angedeutet. Denn die 2.500 Deutschen und die rund 580 Österreicher sitzen unter einem türkischen Befehlshaber zusammen mit Türken, Schweizern, Bulgaren und Georgiern in Prizren, dem am wenigsten gefährdeten südwestlichen Teil des Kosovo.

Doch die frischen Truppen aus dem bayerischen Bischofswiesen, das Gebirgsjäger-Bataillon 232, üben jetzt mit den Amerikanern den Ernstfall. Sie werden wohl bald in das neuralgische Gebiet nördlich Mitrovica verlegt, nach "Nothing Hill". An den Brennpunkt des Geschehens.

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