Kommentar Lokführerausstand: Streik mit Symbolwirkung

Die Gerichte halten sich zurück, die Bahn bleibt stur. Und die GDL eskaliert weiter. Ein Streik wie im Lehrbuch.

Das Vorgehen der Lokomotivführergewerkschaft GDL scheint genau einem Streiklehrbuch zu entsprechen: Verschieße nie dein ganzes Pulver, eskaliere stufenweise und behalte stets einen Trumpf in der Hinterhand! Zunächst bestreikte die GDL den Regional-, dann den Güterverkehr. Jetzt ist erstmals der gesamte Bahnverkehr dran, und zwar für zwei volle Tage. Weitere Stufen in dieser Logik sind: ein einwöchiger Streik im gesamten Bahnverkehr, schließlich ein unbefristeter Ausstand.

Im Moment sieht es so aus, dass es dazu komment könnte - zu gegensätzlich sind die Positionen der Bahn und der Lokführer. Die Industrie warnt bereits vor schweren volkswirtschaftlichen Problemen, sollte der Ausstand länger andauern. Noch ist nicht entschieden, ob die Bahn oder die Lokführer unter diesem Druck zuerst in die Knie gehen. Dennoch scheint Bahnchef Hartmut Mehdorn zur Zeit die schlechteren Karten zu haben; andernfalls hätte er jüngst nicht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) um Unterstützung bitten müssen.

Überhaupt sind die Fronten der Unterstützer erstaunlich unübersichtlich: Die Lokführer werden von linken Gewerkschaftern gefördert, weil sie endlich satte Lohnerhöhungen erkämpfen wollen; auch die FDP sympathisiert mit der GDL, weil sie das Prinzip der Einheitsgewerkschaft schwächt. Die Bahn - beziehungsweise die handzahme Bahngewerkschaft Transnet - hingegen wird in diesem Tarifkonflikt von der SPD und den übrigen Gewerkschaften verteidigt, weil sie das Prinzip einheitlicher Tarifverträge hochhält. Dass die Bahn in den vergangenen Jahren gnadenlos rationalisierte, wird dabei gern vergessen.

Sollten sich die Lokführer am Ende durchsetzen, so ist ihnen jeder Euro mehr Lohn und jede Minute weniger Arbeitszeit zu gönnen. Fraglich ist aber, ob ein solcher Erfolg, der ein positives Beispiel für künftige Tarifforderungen der Gewerkschaften sein könnte, nicht teuer bezahlt ist. Denn neben dem erfreulichen Zeichen, für deutlich mehr Lohn erfolgreich streiken zu können, symbolisierte ein GDL-Sieg auch: Künftig kämpft jeder für sich allein. Und nicht alle Lohnabhängigen haben eine so starke Position wie die Lokführer.

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Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.

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