Münteferings Nachfolger: Olaf Scholz wird Arbeitsminister

Den Posten des Vizekanzlers wird Außenminister Frank-Walter Steinmeier übernehmen. Dies teilte Kurt Beck der Fraktion mit. Stilistisch könnte der Wechsel an der Spitze kaum größer sein.

Ihr Auftritt, Herr Scholz! Bild: reuters

BERLIN dpa/rtr Der bisherige Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Olaf Scholz, wird neuer Bundesarbeitsminister. Dies teilte SPD-Parteichef Kurt Beck am Dienstag vor der SPD-Bundestagsfraktion, nachdem Franz Müntefering seinen Rücktritt angekündigt hatte. Das Amt des Vizekanzlers soll Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) übernehmen. Nach Angaben von Fraktionschef Peter Struck wird der niedersächsische Abgeordnete Thomas Oppermann Nachfolger von Scholz als Geschäftsführer der Fraktion.

Müntefering begründete vor den Abgeordneten seinen überraschenden Rückzug mit der schweren Erkrankung seiner Frau. Er müsse sich jetzt um sie kümmern. Er teilte mit, dass er weiter dem Bundestag als Abgeordneter angehören wolle. Die SPD habe weiterhin die große Aufgabe, zu regieren. "Ran an die Arbeit", rief er der Fraktion zu.

Stilistisch könnte der Wechsel an der Spitze des Arbeitsministeriums kaum größer sein: Vom knorrigen Sauerländer mit den einfachen Botschaften zum smarten Hamburger mit den Bandwurmsätzen, vom traditionsbewussten Parteisoldaten Franz Müntefering zum coolen Strippenzieher Olaf Scholz. Als neuer Ressortchef tritt Scholz, bisher Manager der SPD-Bundestagsfraktion, in die wohl größten Fußstapfen, die ein gegenwärtiger Minister hinterlassen kann. Und er übernimmt ein Ministerium, das für das Wahlkampfprofil der SPD als Partei der sozialen Gerechtigkeit eine Schlüsselrolle hat. Scholz steigt damit schneller und weiter auf als bisher erwartet.

Bei allen Unterschieden in Typ und Stil steht Scholz aber für eine ähnliche politische Linie wie Müntefering nach seinem Wandel vom Traditionssozi zum pragmatischen Reformer. Wie er setzte sich Scholz engagiert für die "Agenda 2010" von Ex-Kanzler Gerhard Schröder ein. Wie Müntefering, der sich daran im Machtkampf mit Parteichef Kurt Beck abarbeitete, stolperte Scholz bei seinem ersten Aufstieg über das Thema: Beim Parteitag in Bochum bestraften die Delegierten 2003 den damaligen Generalsekretär Scholz mit knapp 53 Prozent der Stimmen - eine Ohrfeige, die vor allem Gerhard Schröder und seinen ungeliebten Hartz-Reformen galt.

Drei Monate später, im Februar 2004, gab Schröder den SPD-Vorsitz an Müntefering ab. Scholz legte das Amt als Generalsekretär nieder. Damit folgte er nicht nur der Tradition und reagierte nicht nur auf Kritik an seinem Einsatz für die Agenda. Er musste auch einsehen, dass die Basis in seinem Wirken nach innen wie nach außen die Seele der SPD nicht vertreten sah. Auf viele wirkten seine Coolness arrogant, seine Ironie kalt und sein Pragmatismus prinzipienlos. Als er dann den Begriff des "demokratischen Sozialismus" aus den Zielen der Partei streichen wollte, legte er Hand an eine heilige Kuh - und besiegelte seinen Fall.

Doch nach der Niederlage arbeitete Olaf Scholz sich rasch wieder in wichtige Funktionen hoch. Als SPD-Obmann im Visa-Ausschuss verhinderte er größere Schäden für Außenminister Joschka Fischer und die rot-grüne Koalition. Nach der Wahl 2005 führte er als Parlamentarischer Geschäftsführer die Alltagsgeschäfte der Fraktion effektiv und im Bemühen, seine Ungeduld mit weniger schnellen Denkern im Zaum zu halten. Als Lohn wurde er bald wieder als Ministerkandidat gehandelt. Er galt aber eher als Kandidat für das Innen- oder Justizressort - schließlich war er in Hamburg bereits Innensenator, wo er die SPD als Partei der inneren Sicherheit profilieren konnte ("Ich bin liberal, aber nicht doof.").

Ins Arbeits- und Sozialministerium bringt der 49-Jährige immerhin seine langjährige Erfahrung als Arbeitsrechtler, Fachpolitiker im Sozialausschuss des Bundestags und als Gewerkschafter mit. Bisher war das Arbeitsressort und Müntefering und dessen Staatssekretär Kajo Wasserhövel für die Koordination der SPD in der Regierung zuständig. Zugleich wirkte es als Brutkasten für sozialpolitische Ideen, mit denen die Partei bei den Landtagswahlen und der Bundestagswahl 2009 punkten will. Müntefering gab diesen wichtigen Funktionen ein markantes Gesicht auch für die Öffentlichkeit. Von diesem Vorgänger übernimmt der passionierte Hobbysegler Scholz das Ruder eines großen Schiffes.

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