Jukebox

Next Big Thing. Was war denn noch mal Grunge?

Die Erinnerung an Nirvana schwingt unweigerlich mit, wenn die kanadischen Indierocker Wolf Parade nächsten Donnerstag im Maschinenhaus der Kulturbrauerei auftreten werden. Wolf Parade haben gerade ihr Debütalbum „Apologies To The Queen Mary“ veröffentlicht. Bei Sup Pop. Und obwohl sie musikalisch einer Band wie Modest Mouse näher sind als Nirvana, prophezeit ihnen mancher Indie-Spezialist eine große Karriere außerhalb des Indie-Ghettos.

Das war allerdings noch ein bisschen anders, als 1989 Nirvanas Debütalbum „Bleach“ erschien und Cobain und Co. erstmals in Berlin im Exstasy auftraten, als Vorband von Tad. Grunge gab es schon, genau wie Sub Pop bereits seinen Ruf hatte als Label für dicke Männer in Holzfällerhemden, die schwere Riffs anzustimmen wussten. Nirvana aber galten mit „Bleach“, der 34. Sup-Pop-Veröffentlichung ever, noch nicht als das ganz große next big thing, als das sie zwei Jahre später die Popwelt eroberten (in der Folge galt die Wendung next big thing übrigens als Synonym für die neuen Nirvana). Nirvana gehörten lediglich zu den vielen hoffnungsvollen Grunge-Bands, die auf Namen wie Screaming Trees, Das Damen, Tad, Mudhoney oder Soundgarden hörten.

Es fällt natürlich schwer nach der Nirvana-Mania der frühen Neunzigerjahre, beim Wiederhören von „Bleach“ nichts anderes als am laufenden Band Songklassiker rauszuhören. Der Opener „Blew“ hat all das, was Nirvana am Ende mit ihrem ruppig-bohrenden Vermächtnis „In Utero“ nur noch näherungsweise hinkriegen sollten: Energie, Sexyness, Boshaftigkeit, Spaß, melodiöse Verhangenheit. Dasselbe gilt für Songs wie „Love Buzz“, „School“ und „Big Cheese“. Am meisten verblüfft „About a Girl“, ist der Song doch eine wunderschöne Grunge-Ballade, die all die anderen Bands erst viel später der besseren MTV-Kompatibilität halber in ihr Programm nahmen.

Mit mehr Nüchternheit und dem Willen zum gewissermaßen jungfräulichen Hören hört man auf „Bleach“ aber auch viel Grunge-Durchschnittsware; Riffs, die ein Tad im Dutzend im Programm hatte, Songfiguren, die der Bone Club viel bunter malen konnte, Vor und Zurücks, die sich an die Melvins anlehnten und von denen immer eine Spur zackiger vorgetragen wurden. Im Nachhinein ist das, klar, Cobain ist ein toter Rock-Gott, völlig unwichtig. Da ist jedes herumliegende Nirvana-Vier-Spur-Demo Gold und Klassikerehren wert. Deshalb der Rat: Nächste Woche bei Wolf Parade genaustens hinhören! GERRIT BARTELS