Kommentar Artenschutz: Der Kröten wegen

Die Bundesregierung hat das Thema Natur entdeckt. Doch durch das 250-Seiten-Papier allein stirbt keine einzige Tierart weniger aus.

Artenschutz galt lange als Steckenpferd für Naturliebhaber mit skurriler Leidenschaft für Kröten und Käfer. Obwohl jede aussterbende Art unwiederbringlich verloren ist und die Zahlen dramatisch sind, blieben Öffentlichkeit und Politik bisher relativ unbeteiligt. Doch nun hat die Bundesregierung das Thema entdeckt und verkündet, den Natur- und Artenschutz künftig ernst zu nehmen. In ihrer "Strategie zur nationalen biologischen Vielfalt" setzt sie sich große Ziele.

Dass Deutschland sich 15 Jahre Zeit gelassen hat, dieses Versprechen einzulösen und erst aus Angst vor einer internationalen Blamage aktiv wurde, ist zu bedauern. Und durch das 250-Seiten-Papier allein stirbt natürlich keine einzige Tierart weniger aus. Dennoch ist der Kabinettsbeschluss ein gutes Zeichen.

Zum einen findet damit ein zentrales Umweltthema wieder die Aufmerksamkeit, die es verdient. Als Gastgeber einer großen UN-Konferenz steht Deutschland nun unter Druck, selbst aktiv zu werden. In dieser Situation ist es dem Umweltminister gelungen, die ganze Regierung auf den Artenschutz zu verpflichten. Die Politik von Landwirtschafts- und Verkehrsministerium, die diesen Zielen zum Teil eklatant widerspricht, wird sich damit nicht schlagartig ändern. Doch langfristig kann die Selbstverpflichtung die Position des Naturschutzes bei späteren Streitfragen stärken.

Zum anderen haben sich die Argumente verbessert. Lange ging es beim Artenschutz darum, die Natur um ihrer selbst willen schützen zu wollen. Ethisch mag das richtig sein, doch erreicht wurde mit dieser Argumentation wenig - im Zweifel hatten Wirtschaftsinteressen Vorrang. Nun dreht der Umweltminister den Spieß um, und argumentiert mit dem finanziellen Nutzen der Artenvielfalt.

Wie wirkungsvoll das sein kann, hat sich beim Klimawandel gezeigt: Nicht neue wissenschaftliche Erkenntnisse oder Warnungen von Umweltschützern waren es, die das Thema vor einem Jahr schlagartig zurück auf die politische Agenda katapultierten - sondern Berechnungen des Ökonomen Nicholas Stern, der erstmals die finanziellen Folgen der globalen Erwärmung beziffert hatte.

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Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

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