Untersuchung: Privatradio überrascht mit Journalismus

Die Qualität des Hörfunk-Programms nimmt bei privaten Radios einer Studie zufolge zu - verschleierte Werbung aber auch.

Tim Renner, Gründer des Berliner Senders Motor FM Bild: dpa

"Mach mit beim Mega Money Mittwoch", denn "Geld macht geil": Private Radiostationen versuchen nach wie vor, ihre Hörer mit Gewinnspielen, Merchandising- und Call-in-Aktionen vor dem Gerät zu halten. Dazu kommt die Selbstdefinition über das meist stark eingeschränkte Musikprogramm. In der Region Berlin-Brandenburg, die als der am härtesten umkämpfte Markt Deutschlands gilt, lauten die Sender-Claims etwa: "Das Beste von heute", "Die größten Songs aller Zeiten" oder "hit music only!"

Lothar Wichert jedoch will eine Trendumkehr bemerkt haben. Der Journalist und Medienexperte untersucht seit 14 Jahren für die Medienanstalt Berlin-Brandenburg regelmäßig das Programm des Privathörfunks in der Region. Noch 2005 hatte er einen "bemerkenswerten journalistischen Substanzverlust" festgestellt. In seiner jüngsten Analyse aber konstatiert er eine gegenteilige Entwicklung.

Vor allem Sender, die sich neu auf dem Markt positionieren wollten, betrachteten dabei den publizistischen Inhalt wieder als wichtiger. Aber auch bei etablierten Privatradios wie dem Berliner Rundfunk oder rs2 deute sich an, dass der Anteil des qualitativen Worts zunehme - wobei sich Wichert auf das Programm außerhalb von Nachrichten und Service wie Verkehr und Wetter bezieht. Auch der Inhalt werde qualitativ besser: Der Boulevard-Anteil werde reduziert, vermehrt würden auch wieder kulturelle oder politische Themen aufgegriffen. Auch die Nachrichten haben der Studie nach an Umfang zugenommen und seien thematisch vielfältig.

Ambivalent betrachtet Wichert aber die Tendenz in den Meldungen zu mehr nationalen und regionalen Themen und zur Vernachlässigung des internationalen Geschehens. Zwar sei die zunehmende Regionalisierung im Sinne einer höheren Relevanz für die Hörer positiv zu betrachten. Doch die Welt sei eben etwas komplexer, so Wichert zur taz.

Qualität steigt nicht

Und auch sonst ist nicht alles rosig im Privatradio. Die Programme würden mehr und mehr von kommerziellen Angeboten durchdrungen, kritisiert Wichert. Für Hörer sei es kaum noch möglich, zwischen redaktionellem Inhalt und den immer subtileren werblichen Formen zu unterscheiden - vor allem im Service und in der Moderation. Diese Entwicklung sei so auffällig, dass Wichert die Funktion des Radios als wichtiges tagesaktuelles Begleitmedium gefährdet sieht - und Handlungsbedarf bei der Mediengesetzgebung sieht. Als Ursache nennt er vor allem die mangelhafte Ausbildung junger Journalisten und den großen Anteil an eingekauften Fremdproduktionen: Zulieferer könnten durch Produkt-Placement zusätzlich verdienen.

Sein Fazit aber fällt positiv aus: "Der private Hörfunk, der sich als Massenmedium von jeglichem journalistisch-publizistischen Ansatz zu verabschieden schien, gewinnt langsam qualitativ wieder Boden unter den Füßen." Bei der negativen Programmentwicklung der letzten Jahre sei der private Rundfunk der Region Berlin-Brandenburg ein Vorreiter für die Republik gewesen, so Wichert - nun sagt er, er hoffe, dass er das auch jetzt sein werde.

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