Kommentar Beck-Entschuldigung: Bückling vor dem Klerus

Schwule Themen stören offenbar nur noch. Zumindest die Phantasien der Grünen über neue bürgerliche Allianzen, mit der CDU zum Beispiel.

Wer hätte Grünens das ernsthaft zugetraut? Dass ihr Abgeordneter Volker Beck Zutreffendes über einen jede Freisinnigkeit vermissen lassenden Bischof sagt - und anderntags zurückgepfiffen wird?

Nun hat der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsgrünen keineswegs vom Kölner Erzbischof Joachim Meisner verlangt, er müsse sich umgehend verpflichten, Homosexuelles sich zu eigen zu machen, auch hat er nicht, was tatsächlich im Widerspruch zu grüner Programmatik stünde, geäußert, Kinder und Jugendlichen gehörten vornehmlich in die sexuelle Obhut von Erwachsenen.

In Wirklichkeit hat er nur gemeint, dass des Bischofs hetzerische Abkanzelung der geltenden Gesetzeslage zur Homoehe dem Wirken eines "Hasspredigers" gleichkomme. Das war natürlich nicht im Sinne bürgerlichen Feinsinns argumentiert - doch erstens war es eben Volker Beck, und der ist für seine Liebe zum argumentativen Holzschnitt bekannt, aber zweitens richtig, denn was sich katholische Würdenträger (Mixa, Dyba, Meisner et alii) in den vergangenen Jahren und im Gefolge des Geschwätzes von der Renaissance des Glaubens sich erdreisten, ist dem Grunde nach stets getränkt vom Begehr, das geltende Recht zu stornieren: die Kirche einmal mehr auf Kreuzzug gegen das religionsblinde Grundgesetz.

Verstörender an dieser Causa ist die Intervention sowohl von Reinhard Bütikofer (Grünensprecher) wie auch Renate Künast (Grünenfraktionschefin), die Beck maßregelten. Und der hat sich gefügt und sich - was für ein Bückling! - distanziert von seiner Meinung. Irritierend daran ist, dass die Grünen nunmehr bereit scheinen, im Sinne ihrer Hoffnungen auf schwarz-grüne Allianzen vor dem rasenden Klerus sich krumm zu machen.

Der Ton mache die Musik, hieß es gegen die bürgerrechtlichen Ansprüche eines Homosexuellen wie Beck. Das hätte man mal den Grünen der frühen Achtziger sagen sollen: Der Ton? Bitte? Ja, eben, gerade der muss so gewählt werden, dass er die Sache bezeichnet und dann möglicherweise bei den richtigen Adressaten Erregung weckt.

Die Grünen opfern also just zwei Jahre vor den Bundestagswahlen eine ihrer Hauptwählergruppen, um sich beim Klerus zu empfehlen. Dass die Grünen mit der Rüge wider ihren geschäftsführenden Oberfunktionär auch alle Christen verraten, für die die Nächstenliebe mehr zählt als krähwinkelige Moralvorstellungen der (falschen) Fünfziger, muss wohl als politmoralischer Kollateralschaden verbucht werden. Für schwarzgrüne Fantasien lässt dies das Übelste befürchten, wenn die Grünen, ganz Kaderpartei, nicht mehr billigen, einen hetzerischen Bischof als das zu bezeichnen, was er nun einmal auch ist: ein Prediger, der Hass begünstigt. In letzter Konsequenz hieße das für die Grünen: Man gibt die gesellschaftliche prekärste Opfergruppe preis, um beim Bischof Pfötchen machen zu dürfen.

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Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!

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