Einigung: Zentrum für Vertriebene kommt

SPD und Union haben sich auf ein Dokumentationszentrum über Flucht und Vertreibung geeingt. Historiker Benz warnt vor einer Einflussnahme des Bundes der Vertriebenen.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse: "Bund der Vertriebenen nicht beteiligt" Bild: dpa

Nach langem Streit hat sich die große Koalition auf ein Konzept für ein Dokumentationszentrum zum Schicksal der Vertriebenen geeinigt. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) und Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) haben sich darauf verständigt, in Berlin ein solches Zentrum zu schaffen.

Für das Dokumentationszentrum soll laut Thierse eine nichtselbständige Stiftung unter dem Dach des Deutschen Historischen Museums in Berlin gegründet werden. Der Erinnerungsort zu Flucht und Vertreibung am Ende des Zweiten Weltkriegs könnte im "Deutschlandhaus" am Anhalter Bahnhof in Berlin untergebracht werden. Im Gespräch ist eine Ausstellungsfläche von mehr als 18.000 Quadratmetern.

Umstritten bleibt jedoch, wie groß der Einfluss der Vertriebenenverbände auf das Zentrum sein wird. Thierse hatte der Süddeutschen Zeitung gesagt: "An dem Projekt, das die Bundesregierung verwirklicht, ist der Bund der Vertriebenen nicht beteiligt." Dem widerspricht die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach (CDU). "Selbstverständlich waren und sind die deutschen Heimatvertriebenen in die Vorarbeiten zu der Konzeption eng eingebunden und werden in den wichtigen Gremien der von der Bundesregierung zu errichtenden Stiftung vertreten sein", erklärte Steinbach in Berlin.

Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte, dass Persönlichkeiten aus den Vertriebenenorganisationen im Beirat der Stiftung "angemessen" vertreten seien. Das Kabinett werde den Entwurf für das Projekt noch dieses Jahr verhandeln.

Der Berliner Historiker und Antisemitismusforscher Wolfgang Benz begrüßt das Konzept des Dokumentationszentrums. Unter dem Dach des Deutschen Historischen Museums sei dieses "an der richtigen Stelle angesiedelt", sagte Benz der taz. "Eine Verewigung der deutschen Opferhaltung hat dort keinen Platz." Gleichzeitig wies er Steinbachs Anspruch einer maßgeblichen Beteiligung der Vertriebenenverbände am Projekt zurück. "Es muss sichergestellt werden, dass die Einrichtung nicht unter den Einfluss des Bundes der Vertriebenen gerät", sagte Benz.

Das Deutsche Historische Museum hat angekündigt, die Ausstellung im geplanten Vertriebenen-Zentrum nicht auf das Schicksal deutscher Vertriebener beschränken. "Unser Ziel ist es, eine Ausstellung im Kontext der europäischen Geschichte zu machen und keine auf das Schicksal der Deutschen verengte Sicht zu zeigen", sagte Museumsdirektor Hans Ottomeyer am Mittwoch.

Union und SPD hatten sich 2005 im Koalitionsvertrag darauf verständigt, ein "sichtbares Zeichen" zum Gedenken an Vertreibungen zu schaffen. Unabhängig hiervon wollte Vertriebenen-Chefin Erika Steinbach ein "Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin" durchsetzen, das Flucht und Vertreibung am Ende des Zweiten Weltkriegs thematisieren sollte. Unklar ist, ob die Vetriebenenverbände an einem eigenen Zentrum festhalten werden, wenn sie nicht angemessen an dem im Deutschlandhaus beteiligt sein werden. Steinbach sagte zwar, sie habe "nie den Wunsch gehabt, Museumsdirektorin zu werden". Ob ihr Verband sich aber mit einem Sitz im Beirat zufrieden gibt, ist noch nicht entschieden.

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