Bahn-Tarifstreit: Beck attackiert Lokführergewerkschaft

Im Tarifstreit zwischen GDL und Bahn wächst der Druck auf die Lokführergewerkschaft: Die Ablehnung der Bevölkerung nimmt zu, SPD-Chef Beck hält sie für unsolidarisch.

"Nur ein kleiner Teil der Lokführer": Mitglieder der Gewerkschaft GDL in Stuttgart

HAMBURG taz/dpa/afp SPD-Chef Kurt Beck hat die Lokführergewerkschaft GDL angesichts des erneuten Streiks bei der Bahn scharf attackiert. Die GDL wolle "ohne Rücksicht auf andere" Sonderregelungen, sagte Beck am Donnerstag dem Nachrichtensender N 24. Beck forderte den Bahnvorstand auf, gegenüber der GDL im Tarifkonflikt hart zu bleiben. "Insgesamt muss man klar machen: Es ist ein kleiner Prozentsatz der Bahnbeschäftigten, es ist nur ein kleiner Teil der Lokführer, und es ist ein Teil, der sich aus der Solidargemeinschaft aller bei der Bahn herausbegibt", sagte Beck.

"Wenn das losgeht in Deutschland, kommen wir in eine ähnliche Situation, wie wir sie in Großbritannien früher hatten, nämlich: Jede Kleingruppe bildet eine Gewerkschaft und versucht, ihre Sonderinteressen durchzusetzen." Dies müsse vermieden werden. Ein direktes Eingreifen der Politik in den Tarifstreit wollte Beck aber nicht fordern. "Es ist zunächst Sache des Vorstandes, solche Fragen zu entscheiden und nicht des Aktionärs oder des Aufsichtsrates. Ich glaube, dabei sollten wir auch bleiben."

Ungeachtet einer zunehmenden Ablehnung der Streiks in der Bevölkerung drohte die Lokführergewerkschaft GDL mit einem unbefristetem Arbeitskampf. "Unsere Leute fordern uns auf, jetzt unbefristet zu streiken", sagte Gewerkschafts-Vize Günther Kinscher auf n-tv. Der dritte Streik der Lokführer führte am Donnerstag erneut zu massiven Beeinträchtigungen vor allem im Berufsverkehr. In Ostdeutschland fielen bis zu 80 Prozent der Züge aus.

Wegen der Streiks fielen am Donnerstag nach Angaben der Bahn im Bundesdurchschnitt etwa 40 Prozent der Regionalzüge und S-Bahnen aus. Dabei gab es ein starkes Ost-Westgefälle: In einigen ostdeutschen Regionen seien zum Teil 80 Prozent der Züge ausgefallen, in Baden-Württemberg dagegen nur 15 Prozent. Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen habe die Bahn 70 Prozent ihrer Leistung bringen können.

In vielen Städten staute sich zudem über Stunden der Verkehr, weil deutlich mehr Pendler mit dem Auto zur Arbeit fuhren. Die Stimmung dreht sich mittlerweile gegen die Lokführer: 55 Prozent der Befragten lehnen die Streiks nach einer repräsentativen Forsa-Umfrage vom Dienstag inzwischen ab, wie die "Bild"-Zeitung vorab berichtete. 43 Prozent haben demnach noch immer Verständnis für die Lokführer. In einer Umfrage Anfang Oktober hatte noch eine knappe Mehrheit die Streiks gutgeheißen.

Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) richtete einen "dringenden Appell" an die GDL, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. "Es geht in diesem Tarifstreit nicht nur um die Interessen der Beschäftigten und des Bahnkonzerns. Es geht hier auch um gewichtige volkswirtschaftliche Auswirkungen", sagte Tiefensee dem "Münchner Merkur". Tiefensee richtete seinen Appell zwar an beide Tarifparteien, lobte aber ausdrücklich das am Montag von Bahn-Chef Hartmut Mehdorn vorgelegte Angebot. "Die Bahn hat der GDL ein Angebot unterbreitet, das eine gute Grundlage ist für weitere Gespräche."

GDL-Vize Kinscher bekräftigte auf n-tv, das Angebot der Bahn sei für seine Gewerkschaft keine Verhandlungsgrundlage. Die Lokführer würden nun darauf bauen, vor dem Arbeitsgericht in Chemnitz auch das Streikrecht im Güterverkehr und im Fernverkehr zu bekommen. In diesem Fall würden auch diese Bereiche bestreikt. Er setze darauf, dass angesichts der dann drohenden massiven Verluste die Wirtschaftslobby genügend Druck auf die Politik mache, damit wiederum die Bahn ein deutlich besseres Angebot für einen eigenen Tarifvertrag vorlege.

Nach der Abmeldung von GDL-Chef Manfred Schell zur Kur weiß die Bahn laut Bahnvorstand Karl-Friedrich Rausch nicht, wer ihr Ansprechpartner für Verhandlungen ist. Dies sei "sehr schwierig" einzuschätzen. Außer einem ergebnislosen Telefongespräch habe die Bahn am Donnerstag keinen Kontakt zur GDL gehabt. Es sei auch nicht klar, welche weiteren Streikpläne die Gewerkschaft hege. Trotzdem sollen die Züge am Freitag fahrplanmäßig fahren. "Wir gehen in den morgigen Tag mit dem Ziel, einen vollen Fahrplan zu fahren."

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