Öffentlich-rechtliche Medien: "Die Männer werden anders"

Das deutsche Fernsehsystem sei einmalig in der Europäischen Union, aber wir sind keine "Marktstörer", sagt die Chefin des Westdeutschen Rundfunks, Monika Piel.

Die ARD soll in der ersten Reihe bleiben. Bild: ap

taz: Frau Piel, bei ihrem Dienstantritt als WDR-Intendantin im April haben Sie von ihrer Lust gesprochen, den "Laden umzukrempeln". Und?

Ich möchte gerne einige Fachredaktionen aus Hörfunk und Fernsehen zusammenlegen. Nicht, um eine eierlegende Wollmilchsau zu schaffen und Personal einzusparen. Mir geht es um noch mehr Qualität, um Themen, die man gemeinsam besser machen kann: Wenn sich unsere Wirtschaftsredaktionen im Radio wie im Fernsehen mit dem Thema Rente befassen, sollen sich die Kolleginnen und Kollegen in Zukunft stärker miteinander abstimmen. Wir sind zurzeit damit beschäftigt, ein Konzept zu stricken inklusive der Abstimmung des programmbegleitenden Online-Auftritts.

Dann ist der Weg zum integrierten Newsroom wie bei der BBC, wo tri-medial alle Nachrichtenjournalisten für Fernsehen, Radio und Online arbeiten sollen, ja nicht mehr weit.

Nein, das machen wir auf keinen Fall. Ich habe mir das BBC-Modell angeschaut - ich halte es nicht für die beste Lösung.

Wieso? Die BBC gilt doch sonst so oft als Vorbild für den deutschen Rundfunk!

Weil ich unser Programm kenne. Jede unserer sechs Radiowellen hat ihre eigene Handschrift, auch was den Bereich Nachrichten anbelangt. Die richten sich schließlich an sechs völlig unterschiedliche Zielgruppen. Und Fernsehen ist noch eine ganz andere Sache als Hörfunk. Die Bereiche kooperieren miteinander, aber an eine vollständige Integration wie bei der BBC denke ich nicht.

Auch in der ARD wird gerne von Umbau geredet: Da fordert zum Beispiel der ARD-Gremienchef mehr zentrale Kontroll-Instanzen. Das fordert Sie als Chefin der größten ARD-Anstalt doch direkt heraus!

Wir haben beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland nun einmal eine föderale Struktur. Dieses System wurde nicht von uns erfunden, sondern ist rechtlich so vorgegeben. Ich will aber nicht drum herum reden: Diese föderalen Strukturen haben durchaus Tücken, bieten aber auch eine enorme Vielfalt, die es bei Zentralinstanzen so wohl nicht gäbe. Denn auch "Das Erste" der ARD ist kein Zentral-, sondern ein Gemeinschaftsprogramm, dem alle ARD-Sender zuliefern. Und diese neun ARD-Anstalten sind die bestkontrollierten Einrichtungen, die es in diesem Land gibt: Uns prüfen unsere Gremien, Wirtschaftsprüfer, die Landesrechnungshöfe und die für die Ermittlung der Gebührenhöhe zuständige KEF prüft unseren angemeldeten Finanzbedarf.

Warum gilt die ARD dann als unbeherrschbar?

Ich finde es nicht so schwierig, den WDR zu führen. Wenn Sie aber eine Organisation wie die ARD haben, die aus neun Einzelmitgliedern in ganz unterschiedlicher wirtschaftlicher Position mit oft auch unterschiedlichen Auffassungen in Sachen Programm besteht, wird es schon ein wenig komplizierter. Ich finde aber nicht, dass die ARD unregierbar ist, schließlich finden wir immer einen Kompromiss.

Auch bei der Umsetzung der EU-Auflagen, die die Europäische Kommission mit den Ländern verhandelt hat und die bis 2009 ins deutsche Rundfunkrecht einfließen müssen?

In Brüssel beschäftigt sich immer wieder die für den Wettbewerb zuständige Kommission mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Schon das finde ich bemerkenswert. Ich habe teilweise sogar den Eindruck, bei der EU möchten einige nicht verstehen, wie die ARD funktioniert. Von denen werden wir einfach in die Rolle eines "Marktstörers" gedrängt. Gut, das deutsche System ist in Europa einmalig - aber ich würde auch kühn behaupten, wir haben dafür den besten öffentlich-rechtlichen Rundfunk der EU.

Aber diese Umsetzung hat noch gar nicht richtig angefangen - und schon gibt es Streit: Die Bundesländer sagen, das Radioangebot der geplanten ARD- Mediathek sei nicht durch den heute bestehenden Rundfunkstaatsvertrag gedeckt.

Das hat mich allerdings überrascht. Denn hier soll nichts Neues dazukommen. Wir wollen lediglich die Podcast- und Audio-Angebote, die sich schon heute auf den verschiedenen Internetseiten der ARD finden, bündeln. Was man dagegen haben kann, ist mir schleierhaft: Vielleicht kennt die Politik unser vollständiges Angebot auch gar nicht. Dann müssen wir das noch mal erläutern und klar machen: Wir produzieren Inhalte, die wir den Gebührenzahlern so benutzerfreundlich wie möglich zur Verfügung stellen wollen.

Sie haben unmittelbar nach Ihrem Amtsantritt die ARD dazu aufgefordert, über einen Verzicht auf Sponsoring mit Ausnahmen beim Sport nachzudenken. Läuft das Projekt eigentlich noch? Sponsoring - zum Beispiel in Form schlecht kaschierter Bierwerbung vor dem "Tatort" - geht doch üppig weiter.

Keine Sorge, das "Projekt" gibt es noch. Allerdings nehme ich auch die Argumente der Anstalten, die gegen einen Ausstieg sind, ernst. Nicht jedes ARD-Mitglied kann den Verzicht auf Sponsoring-Einnahmen so leicht wegstecken wie der WDR als größter ARD-Sender. Im WDR Fernsehen verzichten wir auf Sponsoring. Rechtlich wäre es übrigens nach wie vor erlaubt - aber ich bin schon aus Gründen der Glaubwürdigkeit dafür, es auch im Ersten - mit Ausnahme des Sports - ganz zu lassen. Dafür werde ich auch weiterhin werben.

Ab kommender Woche läuft "Hart aber fair" im Ersten. Wie hart trifft den WDR der Aufstieg seines Quotenbringers Frank Plasberg?

"Hart aber fair" hatte die beste Quote im gesamten WDR Fernsehen, da werden wir schon kämpfen müssen. Aber wir waren von dem Format immer überzeugt und haben uns schon lange dafür eingesetzt, dass Plasberg ins Erste Programm kommt.

Plasberg wäre aber viel lieber auf dem Sonntags-Sendeplatz gelandet, auf dem nun Anne Will sendet. Ist der WDR doch nicht so mächtig?

Ich habe "Hart aber fair" nie als Ersatz für "Christiansen" oder einen ähnlichen Politik-Talk am Sonntag gesehen. Ich finde, dass beide Formate der ARD sehr gut tun. Zumal ich meine Zweifel hätte, ob man wirklich so eine knallharte, aber faire Sendung sonntags sehen möchte. Das Gefühl am Sonntagabend ist doch ein ganz anderes.

Das klingt jetzt aber ein bisschen gemein gegenüber Anne Will!

Wieso? Ich schätze Anne Will und habe mich sehr gefreut, dass sie die Nachfolgerin von Sabine Christiansen geworden ist.

Der Sonntagssendeplatz gehört nun also weiter dem NDR, der "Anne Will" verantwortet. Vom NDR kommt auch Verena Kulenkampff, die neue WDR-Fernseh- Programmdirektorin. Warum merkt man eigentlich davon so wenig, woran hapert's?

Verena Kulenkampff ist noch nicht mal ein halbes Jahr bei uns. Ich finde, dass es an gar nichts hapert. Sie macht einen tollen Job. Aber auch Frau Kulenkampff braucht etwas Zeit, den WDR kennen zu lernen. Alle eigenen Vorstellungen gleich in den ersten sechs Monaten umzusetzen - das geht gar nicht. Und was das gesamte Programmangebot angeht: Wir gehen mit dem neuen Politikmagazin "Echtzeit" in eine Experimentierstrecke am späten Sonntagabend ins Erste, und auch im WDR Fernsehen werden wir einige der im Sommer erfolgreich erprobten Sendungen ins reguläre Programm übernehmen. Dabei handelt es sich um das "Das NRW-Duell", "Der Trödelking" und "In-echt- verliebt".

Wann gibt es die erste WDR-Chefredakteurin?

Die gab es schon mit Marion von Haaren, die zurzeit gute Arbeit in Brüssel leistet. Und wir haben einen ausgezeichneten Fernseh-Chefredakteur (Jörg Schönenborn; d.Red.). Wenn er sich allerdings irgendwann einmal verändern möchte, hätte ich auch nichts gegen eine weitere Chefredakteurin im Fernsehen. Im Hörfunk gibt es sie mit Helga Kirchner. Auch wenn ich bemerkt habe, dass es wegen der vielen Frauen in Führungspositionen schon Ängste gibt.

Hat FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher schon besorgt angerufen?

Jedenfalls wird hier und da darüber fantasiert, dass wir hier im WDR ein geheimes Netzwerk hätten. Ich finde das ebenso absurd wie amüsant.

Immerhin ist Dagmar Reim, Ihre Kollegin vom RBB, jetzt nicht mehr so allein unter den ARD-Intendanten. Werden die Herren nun vernünftiger, oder sonst irgendwie anders?

Ich sage das lieber wertfrei: Sie werden anders. Dagmar Reim und ich haben recht ähnliche Karrieren innerhalb der ARD, als Funkhaus-Chefinnen, als Radio-Direktorinnen. Immer war eine von uns die erste in einem männerdominierten Gremium. Und es verändert diese Runden, das ist richtig. Eitelkeiten reduzieren sich da beispielsweise ungemein.

Wenn Sie sich als Intendantin - unabhängig von allen medienpolitischen Spielregeln - drei neue TV- oder Radiokanäle wünschen dürften, die es so heute noch nicht gibt, welche wären das?

Bei zusätzlichen Kanälen fällt mir da auf Anhieb gar nichts ein. Kinder haben wir im Blick, genauso wie Information und Kultur: KiKa, Phoenix und EinsExtra, Arte, 3sat und EinsFestival. Unsere Kernaufgaben erfüllen wir.

Dafür steht in Ihrem Haus gerade der Kultur-Kanal WDR 3 auf dem Prüfstand, und es hagelt harsche Kritik, hier würde wieder einmal ein anspruchsvolles Programm verflacht.

Eine Verflachung wird es nicht geben. Aber WDR 3 entwickelt sich weiter. Es istim übrigen das teuerste Hörfunkprogramm des WDR, da haben die Minutenkosten Fernsehpreisniveau. Natürlich ist es eine bewusste Entscheidung, für WDR 3 und die Orchester, die auch dazu zählen, soviel Geld auszugeben. Dazu habe ich auch in meinen sieben Jahren als WDR-Hörfunkdirektorin immer gestanden. Doch wir müssen ebenfalls versuchen, wenigstens einen Teil der kulturaffinen Menschen mit unserem Programm zu erreichen: WDR 3 hat die wenigsten Hörer - 230.000 am Tag -, kostet aber fast genauso viel wie 1LIVE, WDR 2 und WDR 4 zusammen, die auf rund sieben Millionen Hörer am Tag kommen. Da muss man sich die Relationen noch einmal genau anschauen.

Der RBB hat sein Kulturradio magaziniger gestaltet und durchhörbar gemacht. Könnte das auch der Weg für WDR 3 sein?

Das ist bei uns absolut nicht geplant. Ich möchte, dass der Schwerpunkt klar auf anspruchsvoller Musik liegt. WDR 3 sendet sehr viel Wort. Wir haben mit WDR 5 aber schon ein reines Wortprogramm, übrigens in dieser Form ein Alleinstellungsmerkmal in der ARD. Jetzt müssen wir die Profile der beiden Programme gegeneinander schärfen, da arbeitet der Hörfunkdirektor gerade dran.

INTERVIEW STEFFEN GRIMBERG

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