Landkreis Harz: Autark durch Kombikraftwerk

Ein Landkreis will seinen Strombedarf komplett aus erneuerbaren Energien sichern. Kernstück: ein Pumpspeicherkraftwerk aus DDR-Zeiten.

Sonnenenerige und Windkraft sind nur zwei der regenerativen Energien, muit denen der Harz-Kreis unabhängig sein will. Bild: dpa

DARDESHEIM taz "Gerade macht sie 50 bis 60 Kilowatt", sagt Thomas Radach und deutet auf die Anzeigentafel im Innern der Windkraftanlage. "Das ist etwa ein Hundertstel ihrer maximalen Leistung." Die Windräder gehörten zum derzeit leistungsstärksten Typ, heute wehe jedoch nur ein leichter Wind. Radach ist technischer Leiter des Windparks Druiberg im sachsen-anhaltischen Dardesheim. Die Anlage, deren Rotorblätter an diesem ruhigen Oktobertag kaum zu hören sind, steht auf dem Druiberg, einer Erhebung im nördlichen Harzvorland, die die Rote Armee einst als Basis einer Radaranlage nutzte. Den Grund dafür ahnt man sofort: Von dem zugigen Bergrücken aus kann man nicht nur auf den Harz, sondern gen Westen auch weit nach Niedersachsen schauen.

Auf dem Druiberg befinden sich etwa 30 Windkraftanlagen unterschiedlichen Alters - ein Windpark auf einem Hügel, wie es ihn dutzendfach in Deutschland geben dürfte. Dennoch ist der auf dem Druiberg etwas Besonderes: Er ist das Kernstück des geplanten Kombikraftwerkes Harz, mit dem sich der neu geschaffene Landkreis Harz und seine rund 250.000 Einwohnern mit Strom versorgen will - und zwar vollständig aus den regenerativen Energien Wind, Sonne, Wasserkraft und Biomasse.

Wie das gehen kann, macht die Stadt Dardesheim am Fuße des Druiberg im Kleinen vor. Rein rechnerisch produziert Dardesheim schon heute zehnmal mehr Energie für Strom, Heizungen und Verkehr, als in dem 1.000-Einwohner-Städtchen verbraucht wird.

Allein ein Drittel des Stroms wird durch zehn große Solardächer in der Harz-Stadt hergestellt, unter anderem auf der Schule und Gewerbebetrieben. "Wir freuen uns, dass wir zu Beginn der 90er-Jahre Ja gesagt haben zu dem Windpark bei uns", sagt der parteilose Bürgermeister Rolf-Dieter Kühne. Dies sei nicht nur umweltpolitisch, sondern auch finanziell die richtige Weichenstellung gewesen. Immerhin zehn Dauerarbeitsplätze gibt es im Windpark, und die Gemeinde kann mit rund 50.000 Euro jährlich vom Betreiber für Vereine und kulturelle Zwecke rechnen. Ab 2010/2011 erwartet Kühne durch den Windpark sichere Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von rund einer Million Euro jährlich.

Ein wichtiges Projekt für die Stromversorgung des Landkreises aus erneuerbaren Energien ist das Pumpspeicherkraftwerk Wendefurth an der Rapp-Bode-Talsperre. Damit soll die Windenergie des Windparks Druiberg, der auf eine Einspeiseleistung von 80 Megawatt ausgelegt ist, genutzt werden können, auch wenn gerade kein Wind weht. Das geht so: Wenn nachts oder an windreichen Tagen mehr Windstrom geliefert als verbraucht werden kann, soll mit dieser überschüssigen Energie Wasser in das 1967 gebaute Oberbecken der Talsperre gepumpt werden. Bei Flaute kann dieses Wasser zurück ins Tal fließen und zwei 40-Megawatt-Turbinen antreiben.

Auch beim effizienten Energieeinsatz will das virtuelle Kombikraftwerk Harz neue Wege gehen. So sollen nicht nur die Leistung der Energieerzeuger registriert und koordiniert werden, sondern auch der Energiekonsum von freiwillig mitspielenden Verbraucher. Ziel ist, variable Stromverbräuche dem Angebot anzupassen. Im Klartext: Verbraucher könnten ihre Wasch- oder Spülmaschine dann anwerfen, wenn viel Wind weht oder die Sonne kräftig scheint. "Unser Kombikraftwerk ist ein einzigartiges Modell in Deutschland", sagt Druiberg-Geschäftsführer Heinrich Bartelt. "Verbraucher, die ihre Geräte entsprechend der Wetterkonditionen automatisch steuern lassen, sparen Energiekosten und tragen zum Klimaschutz bei."

RICHARD ROTHER

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