Feinstaub-Urteil: "Die Städte werden handeln"

Nach dem Grundsatz-Urteil zum Schutz gegen Feinstaub sieht Umwelthilfe-Chef Jürgen Resch gute Chancen für Fahrverbote. Für den Fall, dass die Politik untätig bleibt, kündigt er weitere Klagen an.

"Es reicht nicht mehr, wenn Gemeinden schwammige Aktionspläne erstellen." Bild: ap

JÜRGEN RESCH, 47, ist Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, die das Feinstaubverfahren unterstützt hat.

Unter Feinstaub versteht man winzig kleine Schwebeteilchen in der Luft, die die Atemwege belasten und zu Husten, Herzkreislaufstörungen oder Lungenkrebs führen können. 65.000 Menschen in Deutschland sterben pro Jahr vorzeitig wegen der Feinstaubbelastung. In Ballungsräumen erzeugt vor allem der Verkehr Feinstaub, hauptsächlich die Verbrennung von Diesel. Seit 2005 legt eine EU-Richtlinie Grenzwerte fest: Der Wert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft darf höchstens an 35 Tagen im Jahr überschritten werden. Die Verantwortung für die Einhaltung liegt bei den Bundesländern. (ap)

taz: Herr Resch, am Donnerstag hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass Bürger Anspruch auf saubere Luft haben. Was heißt das konkret?

Jürgen Resch: Jetzt ist klar, dass jeder betroffene Bürger von seiner Gemeinde Schutz vor Feinstaub einfordern kann. Wenn die Gemeinde nichts tut, kann er das vor Gericht überprüfen und durchsetzen. Und es reicht nicht mehr, wenn Gemeinden schwammige Aktionspläne erstellen. Jetzt müssen sie konkret und auch kurzfristig geeignete Maßnahmen treffen.

Was wäre denn eine geeignete Maßnahme?

Verkehrslenkung. Das Bundesverwaltungsgericht hat gesagt, dass die weiträumige Umleitung des Schwerlastverkehrs geeignet wäre. Weniger gravierende Eingriffe, etwa Fahrverbote für Autos ohne Partikelfilter, sind dann erst recht geeignet. Diese werden dann nicht nur für besonders belastete Straßen gelten, in denen die Kläger wohnen, sondern weiträumig.

Ab 2008 werden die ersten Umweltzonen die schlimmsten Stinker aussperren. Ist das Problem damit gelöst?

Nein. Dafür gibt es zu viele Ausnahmen, und es sind anfangs zu wenige Fahrzeuge ausgesperrt. Die Umweltzonen müssen schneller kommen als geplant, und sie müssen verschärft werden. Wenn die bisher vorgesehenen Maßnahmen nicht reichen, dann werden wir vor den Gerichten durchsetzen, dass schon 2008 an bestimmten Tagen nur noch Fahrzeuge mit grüner Plakette in den Innenstädten fahren, also die mit dem geringsten Schadstoffausstoß.

Viele Gemeinden fühlen sich von dem Urteil überfordert. Der Städtetag fordert, auch die Bundespolitik müsse aktiv werden.

Richtig so. Es reicht ja nicht, in den Gemeinden die Symptome des Problems zu bekämpfen. Wir müssen auch an die Ursachen ran. Die leichten Nutzfahrzeuge sind das größte Problem. Wir brauchen steuerliche Anreize, deren Motoren mit Partikelfiltern auszurüsten. Hier ist die Bundesregierung gefordert.

Sie haben weitere Klagen angekündigt. Was wollen Sie noch erreichen?

Wir suchen weiter geeignete Kläger in anderen deutschen Städten und wollen so das Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts praxistauglich machen. Das wird uns weitere Rechtsklarheit geben und konkrete Verpflichtungen für die Städte benennen. Ich bin jedoch bester Hoffnung, dass die Städte jetzt von sich aus handeln werden, weil sie sich vor Gericht nicht noch einmal eine blutige Nase holen wollen.

Sie setzen vor Gericht durch, was Politiker eigentlich von sich aus machen müssten. Warum ist dieser Zwang nötig?

Ich beobachte einen erschreckenden Rückzug des Staates von der Kontrolle der Einhaltung von Umweltgesetzen. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist darum auch ein Debakel für die Bundes- und Landespolitik. Diese hat versäumt, bei der Umsetzung der Feinstaubregeln Sanktionen für Kommunen vorzusehen, die den Bürgern ihr Recht auf saubere Luft verweigern.

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