Grüne: Ämterhäufung in Hessen

Hessens Grüne wählen ihren Fraktionschef Tarek Al-Wazir auch zum Landesvorsitzenden. Das ist bundesweit einzigartig. Die Partei macht klar: Sie will wieder mitregieren.

Die Grünen denken vor allem ans Mitregieren Bild: dpa

DARMSTADT taz Der Fraktionschef der hessischen Grünen, Tarek Al-Wazir, ist jetzt auch Landesvorsitzender der Partei. Exakt 197 von insgesamt nur 254 Mitgliedern der hessischen Grünen, die am Sonnabend den Weg zur Landesmitgliederversammlung (LMV) in Darmstadt gefunden hatten, stimmten für Al-Wazir. Das ist Novum. In keinem anderen Landesverband der Grünen und auch nicht auf Bundesebene gibt es diese Personalunion von Fraktions- und Parteichef.

Zuvor schon hatten die mitten im Landtagswahlkampf befindlichen Grünen die bisherige Landesvorsitzende Kordula Schulz-Asche, die sich der Wiederwahl stellte, mit großer Mehrheit in ihrem Amt bestätigt. Damit ist bei den Grünen in Hessen die Doppelspitze wieder perfekt. Schulz-Asche hatte den Job nach dem Abgang von Matthias Berninger in die freie Wirtschaft seit dem Jahreswechsel alleine machen müssen.

Dass sich kurz vor dem Aufruf des Punktes "Wahl des Landesvorstandes" doch noch ein Parteimitglied fand, das bereit war, gegen Al-Wazir anzutreten, war die Überraschung des Tages. Und dass es mit Simon Lissner ausgerechnet ein Vertreter eines lange Zeit gar nicht mehr wahrnehmbaren linken Flügels der hessischen Grünen wagte, dem eloquenten Fraktionschef aus Offenbach Paroli zu bieten, animierte einige Realos zu despektierlichen Randbemerkungen. "Ich dachte, diese Leute würden schon längst im Freilichtmuseum Hessenpark öffentlich ausgestellt", witzelte einer der alten Haudegen aus den Reihen der Frankfurter Grünen. Lissner aus dem Kreisverband Limburg-Weilburg, der in seiner Bewerbungsrede an die alten Grundsätze der Partei wie "ökologisch, sozial, basisdemokratisch und gewaltfrei" erinnerte, konnte dann immerhin einen Achtungserfolg erzielen. Die 49 Stimmen für ihn sind Beleg auch dafür, dass nicht alle Grünen auf der LMV bereit waren, diese extremste Form der Vereinigung von Amt und Mandat mit abzusegnen, nachdem die Partei lange die strikte Trennung von Amt und Mandat propagiert hatte.

In seiner Grundsatzrede hatte Al-Wazir zuvor erklärt, dass die Grünen bereit seien, in Wiesbaden wieder Regierungsverantwortung zu übernehmen und die CDU-Alleinregierung abzulösen. Auf fast allen Politikfeldern nämlich habe die Union mit Ministerpräsident Roland Koch versucht, die Bürger hinters Licht zu führen. Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen, Unterrichtsgarantie plus, Ganztagsschule - das alles seien "Mogelpackungen" gewesen. Dass bei der Union bundesweit jetzt auch noch eine "Flugzeugabschussdebatte" tobe, weil die terroristische Bedrohung angeblich so groß sei, gleichzeitig aber die alten, noch nicht einmal gegen einfache Flugzeugabstürze gesicherten Atommeiler wie Biblis A und B weiter laufen sollen, sei nicht einmal mehr ansatzweise nachzuvollziehen, echauffierte sich Al-Wazir: "Sind wir denn in einem Irrenhaus?"

Mit wem die Grünen im Januar die Regierung Koch ablösen wollen, sagte der neue Parteichef nicht; nur, dass an den Grünen keiner vorbeikäme, der links von der Union eine Regierung bilden wolle. Und dass jede Stimme für die Linkspartei "eine Stimme für Koch" sei, weil Die Linke den Einzug in den Landtag nicht schaffen werde. Der größte Stolperstein auf dem Weg zu einer rot-grünen Koalition, die von der SPD offen angestrebt wird, dürfte - abgesehen von der nicht sehr großen Wahrscheinlichkeit eines entsprechenden Wahlausgangs - allerdings der geplante Flughafenausbau sein. Die SPD ist dafür, die Grünen sind dagegen.

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