Kommentar Dalai Lama: Kanzlerin muss auf Klarheit pochen

Angela Merkel wird für das Empfangen des Dalai Lama viel Lob einheimsen. Bleibt es aber beim Fototermin, missbraucht sie ihn für eine populistische Außenpolitik.

Wenn schon der österreichische Bundeskanzler Alfred Gusenbauer sich um die Kritik aus Peking nicht schert und den Dalai Lama empfängt, dann kann das auch Angela Merkel. Gut so. Sie wird zu Recht das Lob der Öffentlichkeit einheimsen. Immerhin widersetzt sie sich so manchem vertraulichen Rat deutscher Konzernmagnaten, denen die Gunst der chinesischen KP über vieles geht. Und sie ist das erste deutsche Regierungsoberhaupt, das die schwierige Tibetfrage zur Chefsache erklärt - wenn das Gespräch denn so gemeint ist.

Die Gefahr liegt darin, dass Merkel genauso verfährt wie Gusenbauer. Der schmückte sich medienwirksam mit dem Friedensnobelpreisträger, sprach mit ihm über Religion und demonstrierte anschließend den Stolz des Kleinen, der es dem großen China mal gezeigt hat. Viel wichtiger wäre es, dem Dalai Lama ein paar auch für seine vielen deutschen Fans unpopuläre Wahrheiten zu sagen. Er ist immerhin Führer einer Exilregierung und nicht nur religiöses Oberhaupt. Er muss wissen, dass China von ihm zwei kaum umgehbare Konzessionen fordert: die Einstellung aller Bestrebungen, Großtibet in seinen alten Grenzen wiedereinzurichten, und die Aufgabe der Beziehungen zur taiwanischen Unabhängigkeitsbewegung.

Merkel müsste diesen Forderungen auf Basis der deutschen Ein-China-Politik im Prinzip Verständnis entgegenbringen. Denn sie berühren vor allem die Territorialfrage, in der sich der Dalai Lama trotz anderslautender öffentlicher Bekenntnisse nicht festgelegt hat. Wie etwa soll Peking seinem Bekunden, keine Unabhängigkeit in Tibet anzustreben, Glauben schenken, wenn er anderswo die Unabhängigkeit Taiwans nicht ausschließt?

Würde sich Merkel in der Territorialfrage deutlicher als bisher auf Chinas Seite stellen, würde sie den politischen Dialog zwischen Peking und dem Dalai Lama fördern. Genauso, wie sie es kürzlich in Peking tat, als sie dort unüberhörbar die Menschenrechte einforderte, gerade auch in Tibet. Bleibt es aber beim Fototermin samt religiösem Philosophieren, missbraucht sie den Dalai Lama für eine populistische Außenpolitik.

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Georg Blume wurde 1963 in Hannover geboren und ist gelernter Zimmermann. Er leistete seinen Zivildienst in einem jüdischen Kinderheim sowie in einem Zentrum für Friedensforschung in Paris. Danach blieb Georg Blume in Frankreich und wurde Korrespondent der taz. 1989 wurde er Tokio-Korrespondent der taz, ab 1992 auch für die Wochenzeitung DIE ZEIT. Von 1997 bis 2009 lebte er in Peking, wo er ebenfalls als Auslandskorrespondent für die ZEIT und die taz schrieb, seit August 2009 ist er für die beiden Zeitungen Korrespondent in Neu-Delhi. Bekannt geworden ist Georg Blume vor allem durch seine Reportagen über Umweltskandale und Menschenrechtsverletzungen in China. Für dieses Engagement erhielt er 2007 den Liberty Award, mit dem im Ausland tätige Journalisten für ihre couragierten Berichterstattungen gewürdigt werden. 2012 wurde er mit dem Medienethik-Award META der Hochschule der Medien in Stuttgart ausgezeichnet. Publikationen: „Chinesische Reise“, Wagenbach, Berlin 1998. „Modell China“, Wagenbach, Berlin 2002. „China ist kein Reich des Bösen“, Körber, Hamburg 2008.

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