Kommentar Mindestlohn: Geschenk für die Arbeitgeber

Die Union scheint im Dschungel zu leben und allein darwinistisch zu denken. Sonst würde sie begreifen, wozu ein Mindestlohn gut ist. Er schützt Unternehmer - vor Lohndrückern.

Die Union scheint im Urwald zu leben - jedenfalls kann sie zwischen einer Marktwirtschaft und einem Dschungel nicht unterscheiden. Das zeigt sich eklatant beim Thema Mindestlohn, den die Union mit dem abstrusen Argument ablehnt, das würde den Wettbewerb gefährden. Sie stellt sich Konkurrenz offenbar als regellosen Kampf vor, in dem jeder gegen jeden mit allen Mitteln um die Beute ficht. Bloß keine Vorschriften! Das könnte ja in die natürliche Auslese eingreifen, wer die stärkste Firma ist.

Also hält es die Unionsfraktion jetzt für ein riesiges Problem, dass ein Mindestlohn für die Postbranche eingeführt wird. Sie kann ihn zwar nicht mehr verhindern, aber sie nutzt das Parlament für weitere symbolische Hickhackspielchen. Was, so die besorgte Frage, soll denn aus den Konkurrenten der Post werden, wenn sie deren Löhne nicht mehr unterbieten dürfen? Pech gehabt, würde ein Marktwirtschaftler sagen. Es kann ja nicht viel los sein mit Firmen, die nur im Wettbewerb bestehen, wenn sie ihre Angestellten ausplündern. Doch die Union hält es offenbar für die hohe Kunst der Unternehmensführung, Beschäftigte zu erpressen. Und erpressbar sind Angestellte, die nur zwischen der Arbeitslosigkeit und einem schlecht bezahlten Job als Zusteller wählen können.

Noch immer scheinen viele Unionspolitiker nicht zu verstehen, dass echte Marktwirtschaft ohne Tarifverträge und Mindestlöhne nicht denkbar ist. Sie sollen die Arbeitgeber nicht knebeln - sondern gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle schaffen. Jeder Kampf braucht Regeln. Das wissen die betroffenen Unternehmen am besten. Und so ist es kein Wunder, dass sich etwa die Wachdienste sehr gut vorstellen können, einen branchenweiten Mindestlohn einzuführen. Für jede einzelne Firma ist es eben anstrengend, immer auf der Lauer zu liegen, ob ein Konkurrent weniger Lohn zahlt.

Der Mindestlohn ist kein Geschenk an die Arbeitnehmer. Das ist ein Missverständnis, an dem die Union beharrlich festhält. Nein, der Mindestlohn schützt die Unternehmer. Innovative Firmen können sich so sicher sein, dass sie nicht von fantasielosen Lohndrückern vom Markt ge- drängt werden.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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