Merkel in China: Kritik ist unerwünscht

180 chinesische Intellektuelle fordern die Freilassung eines Bürgerrechtlers aus dem Gefängnis. Bundeskanzlerin Merkel sprach indes Menschenrechte an.

Balanceakt nicht nur beim Thema Menschenrechte: Bundeskanzlerin Merkel in China Bild: dpa

BERLIN taz Angela Merkel hatte vor ihrer China-Reise einige Lorbeeren eingeheimst, als sie ankündigte, die Lage der Menschenrechte zu thematisieren. Am ersten Tag ihres Besuches fiel die Kritik zumindest nicht öffentlich aus. Auf der Pressekonferenz mit Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao waren Menschenrechte kein Thema. Sie wurden aber auch nicht nachgefragt. Die mitreisenden chinesischen und deutschen Journalisten hatte je zwei Fragen frei, und da waren Wirtschaft und die Taiwan-Frage wichtiger.

In China gibt es keine Pressefreiheit. Die Kontrolle erfolgt meist in den Redaktionen durch Selbstzensur. Die Propagandaabteilungen geben dafür immer wieder die "richtige Linie" vor. So soll im Moment nicht über Skandale mit unsicheren Produkten, gesundheitsgefährdenden Lebensmitteln oder gefälschten Medikamenten berichtet werden, weil Unruhe im Volk befürchtet wird. Heikel sind grundsätzlich die "T-Themen" - das Massaker von Tiananmen 1989, Tibet und Taiwan.

Nach dem Verständnis der kommunistischen Führung haben Journalisten grundsätzlich dem Staat zu dienen. Wagen sich Medien mit kritischer Berichterstattung zu weit vor, drohen Strafen, die von einfachen Verwarnungen über Versetzungen oder Entlassungen bis hin zur Schließung einer Publikation reichen. Kritiker weisen darauf hin, dass in einigen Fällen sogar Strafverfahren, zum Beispiel mit konstruierten kriminellen Vorwürfen wie Korruption, eingeleitet und Gefängnisstrafen gegen Redakteure verhängt worden sind.

Auch das Internet unterliegt strenger Zensur. Kritik an China oder politisch unliebsame Inhalte werden geblockt.

Merkel sagte später, sie habe bei ihren Treffen mit Wen und mit Staats- und Parteichef Hu Jintao auch die Menschenrechte angesprochen. "Ich habe darauf hingewiesen, dass gerade im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen die Welt sehr aufmerksam auf China gucken wird", sagte Merkel. Bei der chinesischen Regierung habe sie dafür Gehör gefunden. "Es ist deutlich gemacht worden, dass man diese Hinweise ernst nimmt."

Vor Merkels Besuch waren indes keine Anzeichen spürbar, dass Peking mit seinen Kritikern weniger repressiv verfährt als bisher. Am vergangenen Freitag wurde der Bürgerrechtler Lu Gengsong inhaftiert. Lu ist Mitglied der verbotenen Demokratischen Partei Chinas und Autor verschiedener Bücher über politische Reform und Korruption in der Kommunistischen Partei. Wenige Tage vor seiner Festnahme hatte Lu die Einweisung des kritischen Internetautors He Weihua in eine psychiatrische Anstalt enthüllt. Wie die Menschenrechtsgruppe Chinese Human Rights Defenders berichtet, sei Lu nach Aussagen der Polizei wegen "Angriffen auf die Kommunistische Partei" festgenommen worden. Damit werde der Vorwurf der "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" begründet. Das formelle Vorgehen gegen den 51-Jährigen deutet darauf hin, dass ihm der Prozess gemacht werden soll. 180 chinesische Intellektuelle, Aktivisten und Schriftsteller forderten gestern in einer Petition die Freilassung des Bürgerrechtlers.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke (CDU), warnte gestern vor zu viel außenpolitischer Rücksichtnahme gegenüber Peking. Man müsse durchaus die Frage stellen, "ob wir alles tun, was in unserer Macht steht", um die Lage der Menschenrechte zu verbessern. Er erwarte deshalb "Klartext" von der Kanzlerin. Programmpunkte dafür hat Angela Merkel auch heute noch: Sie will sich in Peking mit chinesischen Journalisten und Schriftstellern treffen und vor der Akademie der Sozialwissenschaften sprechen.

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