Finanzmärkte: "Das Spiel ist jetzt vorbei"

Der Finanzmarktexperte Joachim Voth kritisiert das Engagement deutscher Banken bei US-Hypothekenanleihen und fordert, Geschäfte mit Hedge-Fonds stärker zu kontrollieren

Die US-Hypothekenkrise versetzte die Märkte in den letzten Wochen im Aufruhr. Bild: dpa

taz: Herr Voth, wie kann es passieren, dass deutsche Banken in die Krise geraten, nur weil US-Hausbesitzer ihre Kredite nicht bedienen können?

Joachim Voth: Die US-Hypothekenbanken haben die Kredite für den Hauskauf nicht wie früher üblich einfach in ihren Büchern behalten, sondern sie gebündelt und weiterverkauft. Und weil sie dabei ihr eigenes Geld nicht riskiert haben, waren sie oft sehr großzügig bei der Vergabe - viele Leute bekamen Kredite, die sie sich nicht leisten konnten. Das Risiko ist dann über Hedge-Fonds und andere Spekulanten immer weiter gereicht worden. Viele Anleger legten sich diese Schrott-Anleihen ins Portfolio - auch deutsche Banken. Jetzt ist das Spiel vorbei.

Klingt nach Zocker-Pech.

Um die Spekulanten muss man sich kaum Gedanken machen. Die Leute haben vorher viel Geld verdient, das verlieren sie jetzt wieder. Diese Art von Umverteilung gehört zum Finanzmarkt dazu. Für die Wirtschaft wird es erst problematisch, wenn das Bankensystem angegriffen ist.

Gibt es dafür Anzeichen?

In der Tat. An den Geldmärkten herrscht seit zwei Wochen Chaos, weil sich die Banken gegenseitig nicht mehr trauen. Niemand weiß, wo die Risiken aus dem US-Hypothekenmarkt gelandet sind. Auch wenn es nicht für alle Banken so dramatisch wird wie für die Sachsen LB, wo es nach der Rekapitalisierung quasi zum Zwangsverkauf kam - der Letzte, der die Papiere im Portfolio hat, verliert massiv. Mir ist unerfindlich, warum deutsche öffentliche Banken meinen, sie seien der richtige Endabnehmer für US-Hypotheken-Risiken. Bei den großen Privatbanken liegt das Problem anders: Sie besitzen wenige von den Schrott-Anleihen, aber sie haben oft hohe Kredite an hochspekulative Hedge-Fonds vergeben. Geraten diese ins Trudeln, überträgt sich das auch auf die Banken.

Inwiefern?

Hedge-Fonds bringen nur wenig eigenes Geld mit. Stattdessen leihen sie sich bei Banken bis zu 100 Euro für jeden Euro der Anleger. Da muss nur ein klein bisschen was im Portfolio kippeln, und schon werden die Banken nervös und drängen zum Verkauf. Passiert das bei ein paar großen Fonds, dann fallen die Preise von Anleihen und Aktien, die nichts mit den US-Hypotheken zu tun haben. Dann folgt die nächste große Verkaufswelle - ein riesiger Dominoeffekt.

Was kann man dagegen tun?

Man müsste den Banken vorschreiben, mehr Eigenkapital vorzuhalten, wenn sie Kredite an Spekulanten wie Hedge-Fonds vergeben, 30 Prozent oder mehr - je nachdem wie transparent der Schuldner arbeitet. Dann wären die Banken mehr daran interessiert, Kredite vorsichtig zu vergeben. Und das Geschäft wäre deutlich weniger profitabel.

Auch die Bundesregierung fordert mehr Transparenz für Hedge-Fonds.

Transparenz ist wie der Mutterschaftsschutz - für den sind immer alle. Das Problem sitzt tiefer, denn an reinen Transparenzbestimmungen kommt jeder kluge Anwalt vorbei. Mangelnde Transparenz muss teurer werden: durch höhere Kreditkosten. Man sollte bei den Banken ansetzen, die im Auftrag der Hedge-Fonds auf den Kapitalmärkten der OECD agieren. Im Gegensatz zu Hedge-Fonds, die in der Karibik registriert sind, lassen sie sich leicht regulieren.

Es scheint, als würden sich die Hedge-Fonds von selbst erledigen. Einer nach dem anderen meldet riesige Verluste.

Das enorme Wachstum der Hedge-Fonds wird nach der Krise so nicht weitergehen. Viele Großanleger dachten, das wäre eine Gelddruckmaschine ohne Risiko. In der Krise haben sie bemerkt, was es bedeutet, in einen Hedge-Fond zu investieren: Das Geld liegt monate- oder jahrelang fest, und die Manager müssen noch nicht einmal offenlegen, was sie mit dem Geld machen und wie viel sie wirklich verdienen. Vielen Pensionsfonds und Versicherern wird erst jetzt klar, wie riskant "alternative Investments" sein können.

Wie geht es jetzt weiter auf den Finanzmärkten?

Mein Verdacht ist, dass die Märkte noch eine ganze Weile nervös bleiben werden. Dass die Notenbanken anders als früher diesmal die Zinsen nicht senken wollen, ist eine gute Nachricht. Sie zeigen, dass sie das alte Spiel nicht mehr mitmachen und dass sie kein Interesse daran haben, die Leute zu belohnen, die dumme Risiken eingegangen sind.

INTERVIEW: NIKOLAI FICHTNER

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