Sachsen: Chaos beim Verfassungsschutz

Der erste Untersuchungsbericht zum so genannten Sachsen-Sumpf offenbart schwere Verstöße des Verfassungsschutzes: Akten wurden dort manipuliert.

Kameramann filmt Aktenkopien zur Affäre in Sachsen Bild: dpa

DRESDEN taz "Wir haben in Sachsen keine Korruptionsaffäre, sondern bestenfalls eine Verfassungsschutzaffäre", ließ Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) in den vergangenen Wochen oft verlauten. An den vom Verfassungsschutz (VS) gesammelten Akten über angebliche mafiöse Netzwerke sei kaum etwas justiziabel. Vielmehr müsse gefragt werden, wie der VS den Eindruck eines sogenannten Sachsen-Sumpfs erwecken konnte.

Dazu legten gestern der ehemalige Richter am Bundesgerichtshof, Dietrich Beyer, und der frühere Verfassungsschutzpräsident von Baden-Württemberg, Lutz Irrgang, einen ersten Untersuchungsbericht vor. Er stellt dem Sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz insbesondere hinsichtlich der zeitweisen Beobachtung der organisierten Kriminalität (OK) ein verheerendes Zeugnis aus.

Umfangreiche Akten aus dem Landesamt hatten Mitte Mai die angebliche Korruptionsaffäre ausgelöst. Der Geheimdienst sammelte Hinweise auf Netzwerke zwischen organisierter Kriminalität, Politik und Justiz insbesondere im Raum Leipzig. Er tat dies auch noch weiter, als ihm durch ein Urteil des Landesverfassungsgerichts 2005 die weitere Beobachtung der OK untersagt wurde.

Erst nach Bekanntwerden der Akten wurden sie nach und nach der Staatsanwaltschaft übergeben. Ihre Prüfung dauert an. Zugleich sickerte durch, dass als Quelle widerrechtlich auch ein Polizeibeamter aus Leipzig geführt wurde, dass Akten offensichtlich manipuliert oder vernichtet und unvorsichtig behandelt wurden.

Die Prüfer stellen nun eine allgemeine Verselbstständigung des Landesamts, zahlreiche Dienstverstöße und mangelnde Fachaufsicht durch das Innenministerium fest. "Man wollte mit aller Gewalt den Nachweis erbringen, dass die Arbeit des Verfassungsschutzes einen Mehrwert gegenüber der Polizei hat", sagte Bittner. "Verdachtsschöpfung um jeden Preis" habe im Vordergrund gestanden.

Die größtenteils aus dem mittleren Polizeidienst übernommenen etwa 10 Mitarbeiter des OK-Referats besaßen keine nachrichtendienstlichen Erfahrungen und folgten oft vorgefassten Meinungen. Die Vernichtung von Aktenkopien sei aber nicht geschehen, um brisante Vorgänge zu vertuschen. Dem Innenministerium bescheinigten die Prüfer "zu große Leichtgläubigkeit". Verfassungsschutzpräsident Reinhard Boos räumte ein, die Aktenführung sei "unter aller Würde" gewesen.

Klaus Bartl (Die Linke), der Vorsitzende des zur Aufklärung eingesetzten Landtagsuntersuchungsausschusses, sieht damit die Korruptionsvorwürfe nicht als erledigt an. "Man sollte in dieser Phase das Ausgangsmaterial nicht denunzieren" sagte er der taz. In der kommenden Woche wird der Untersuchungsausschuss erstmals tagen.

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