Studiengebühren: Warnung vor "Schuldenangst"

Die Landesanwältin Ute Sacksofsky hält das hessische Bezahlstudium für politisch richtig, aber verfassungswidrig.

Studenten in Frankfurt beim Protest gegen Studiengebühren Bild: dpa

FREIBURG taz Die hessische Landesanwältin Ute Sacksofsky hält das dortige Gesetz über die Einführung von Studiengebühren für "nichtig", weil es gegen die Landesverfassung verstoße. Dies geht aus einem Schriftsatz hervor, den Sacksofsky in dieser Woche beim Wiesbadener Staatsgerichtshof eingereicht hat und der der taz vorliegt.

Sacksofskys Wort hat deshalb besonderes Gewicht, weil sie die Einführung von Studiengebühren politisch eigentlich für richtig hält. So betont sie gleich zu Beginn ihrer 33-seitigen Stellungnahme, dass die bisherige Kostenfreiheit des Studiums eine "Umverteiligung von unten nach oben" zugunsten der Akademiker darstellte. Die Einführung von Studiengebühren könne als "wesentlich sozialer" angesehen werden.

Dennoch sieht Sacksofsky in der geplanten hessischen Regelung - ab dem kommenden Wintersemester müssen alle Studierenden 500 Euro pro Semester bezahlen - einen Verstoß gegen Artikel 59 der Landesverfassung. Dort heißt es: "In allen öffentlichen Grund-, Mittel-, höheren und Hochschulen ist der Unterricht unentgeltlich. [] Ein Gesetz kann anordnen, dass ein angemessenes Schulgeld zu bezahlen ist, wenn die wirtschaftliche Lage des Schülers, seiner Eltern oder seiner sonst Unterhaltspflichtigen es gestattet."

Daraus schließt Sacksofsky, die auch als Rechtsprofessorin an der Frankfurter Universität lehrt, dass die hessische Gebührenpflicht, die keine sozialen Ausnahmen vorsieht, unzulässig ist. Wer die jetzige Regelung wolle, müsse zunächst die Verfassung ändern, die ein "besonders hohes Schutzniveau der Bildungs-Chancengleichheit" vorsehe.

Zwar gesteht die Landesanwältin der CDU-Regierung zu, diese habe sich "intensiv um eine sozialverträgliche Lösung bemüht", indem den Studierenden "bonitätsunabhängige" Darlehen gewährt werden und Bafög-Empfänger sogar von den Zinsen befreit sind. Dennoch könne der freie Zugang zum Studium beeinträchtigt sein, weil viele Studierende "Schuldenangst" hätten und lieber auf ein Studium verzichten oder unvernünftig viel arbeiten, als ein Darlehen aufzunehmen. Sie beruft sich dabei auf die Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, wonach 25 Prozent der Befragten sagten, sie bezögen kein Bafög, weil sie keine Schulden machen wollten.

Sacksofsky gab ihre Stellungnahme in einem Verfahren ab, das 45 Abgeordnete der Oppositionsparteien SPD und Grüne gegen die hessische Gebührenregelung angestrengt haben. Daneben ist beim Staatsgerichtshof noch eine ähnliche Klage anhängig, die 72.250 hessische Bürger - überwiegend Studierende - gegen das Studienbeitragsgesetz eingereicht haben. Nach hessischem Recht kann ein Prozent der Stimmberechtigten die verfassungsrechtliche Überprüfung eines Gesetzes beim Staatsgerichtshof, dem Landesverfassungsgericht, erzwingen. Wann die Klagen verhandelt werden, ist allerdings noch völlig unklar. Die Landesanwältin - auch ihr Amt ist eine hessische Spezialität - kann zu den Verfahren jeweils Stellung nehmen.

Die Stellungnahme Sacksofskys kann nicht auf die Gebührendiskussion in anderen Bundesländern übertragen werden, da die Landesverfassungen dort keine besondere Schutzklausel gegen allgemeine Studiengebühren aufweisen. Implizit geht Sacksofsky davon aus, dass in anderen Bundesländern keine Verfassungsprobleme bestehen dürften, wenn die Gebühren durch großzügige Darlehensangebote abgefedert werden. "Sozialverträgliche Studiengebühren verstoßen nicht gegen allgemeine Grundsätze der Verfassung, wie etwa das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes", schreibt Sacksofsky.

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