Direkte Demokratie: Das Volk vertritt sich immer öfter selbst

Die Zahl der eingeleiteteten Volksbegehren in den Bundesländern hat sich 2006 verdoppelt. Die CDU blockiert die Einführung von Volksbegehren auf Bundesebene.

Aktion für Volksbegehren vor dem Thüringer Landtag in Erfurt : dpa

BERLIN taz Viele Bürger wollen Politik direkt gestalten. Das ist das Ergebnis des Volksbegehrensberichts des Vereins Mehr Demokratie. 2006 wurden auf Landesebene doppelt so viele Volksbegehren eingeleitet wie noch 2005. Bundesweit waren es 19. Auch die Erfolgsquote der direkten Demokratie steigt nach Ansicht des Vereins. Dabei müsse es oft gar nicht zum eigentlichen Volksentscheid kommen. Häufig verabschiedete das jeweilige Länderparlament bereits im Sinne des Volksbegehrens, wenn sich ein positiver Entscheid andeute.

In Bremen beispielsweise setzte sich ein Bündnis für die Reform des Wahlrechts ein und konnte durchsetzen, dass ab 2011 in Bremen kumuliert und panaschiert wird. So können die Bürger nicht mehr nur eine Partei wählen, sondern ihre fünf Stimmen auf mehrere Kandidaten verschiedener Parteien verteilen. Ein besonderer Erfolg, sagt Gerald Häfner, Vorstandssprecher von Mehr Demokratie, "aber wichtig ist uns vor allem, dass das Volk entscheiden darf - nicht, wie es entscheidet."

Nach wie vor ist das die Ausnahme. Nicht in allen Ländern haben die Bürger in gleicher Weise die Möglichkeit zur direkten Mitbestimmung. In Brandenburg müssen 4 Prozent der Wahlberechtigten das Volksbegehren unterschreiben, damit es in der nächsten Stufe zum Volksentscheid kommt. In Hessen und im Saarland dagegen müssen 20 Prozent unterzeichnen. Diese Hürde sei zu hoch, findet Häfner. So scheiterten die meisten Bürgerbegehren, lange bevor es an die Wahlurnen geht. In 10 von 16 Ländern fand noch nie ein Volksentscheid statt.

Kommt es trotz der hohen Hürden zum Volksentscheid, gilt ein Gesetzentwurf nicht automatisch als angenommen, nur weil die Mehrheit mit ja stimmt. Im Saarland etwa müssen 50 Prozent aller Wahlberechtigten zustimmen, damit ein Entscheid gültig ist. Nehmen weniger als 50 Prozent teil, gilt der Entwurf als abgelehnt, selbst wenn 100 Prozent Ja-Stimmen abgegeben wurden. Zum Vergleich: An der Europawahl 2004 beteiligten sich gerade mal 43 Prozent.

Sogar ein gültiger Volksentscheid garantiert nicht, dass Volkes Wille umgesetzt wird. In Hamburg setzte sich das Parlament zuletzt zweimal über die Entscheidung der Bürger hinweg. Das sogenannte Finanztabu schränkt die Themen von Volksbegehren stark ein. Alles, was den Landeshaushalt betrifft, darf in vielen Ländern grundsätzlich nicht per Volksbegehren entschieden werden.

Generell können per Volksbegehren nur Entscheidungen herbeigeführt werden, die sich auf Ländersachen beschränken. In Städten und Gemeinden können die Einwohner in Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden mitbestimmen. Dagegen besteht auf Bundesebene keine Möglichkeit zum Volksentscheid. In den letzten Jahren setzten sich Politiker von SPD, Grünen, der Linken und der FDP für bundesweite Volksentscheide ein. Eine benötigte Zweidrittelmehrheit kam aber nie zustande. Die CDU/CSU ist gegen eine entsprechende Grundgesetzänderung.

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