Waffenhandel: Sarkozy dick im Geschäft

Die Befreiung der bulgarischen Krankenschwestern gelang, weil Paris Rüstungsgüter für rund 300 Millionen Euro liefert. Sagt Gaddafis Sohn.

Mit Handschlag besiegelt. Nur, was eigentlich? Bild: reuters

PARIS taz "Keine Gegenleistung", versicherte Staatspräsident Nicolas Sarkozy. Frankreich habe für die Befreiung der bulgarischen Krankenschwestern und des Arztes aus achtjähriger libyscher Geiselhaft "keinen einzigen Euro" bezahlt. Eineinhalb Wochen später krebst die Pariser Spitze zurück. Nachdem ein Diktatorensohn aus Tripolis in einem Interview mit Le Monde

erklärt hat, Frankreich habe die Befreiung mit einem großen Militärgeschäft erreicht, bestätigte gestern der europäische Rüstungs- und Raumfahrtkonzern EADS, er habe bereits einen Vertrag über die Lieferung von Panzerabwehrraketen abgeschlossen. Ein zweiter über militärische Kommunikationssysteme stehe kurz vor der Unterschrift. Wert der beiden Verträge: 296 Millionen Euro.

Verteidigungsminister Hervé Morin bestätigte dies. Und Elysée-Sprecher David Martinon, der in den vorausgegangenen Tagen einer der Dementi-Träger war, kommentiert den Rüstungsdeal jetzt: "Wenn es so ist, dann sollen die Unternehmen sich doch freuen."

Am 24. Juli, während ein Flugzeug des französischen Staatspräsidenten die Krankenschwestern und den Arzt von Tripolis nach Sofia flog, kündigte in Paris Staatspräsident Sarkozy an, dass er schon am nächsten Tag einen Besuch in Tripolis machen würde. Gleichzeitig nannte die Pariser Staatssekretärin im Außenministerium, Rama Yade, die Befreiung einen "Sieg der Menschenrechte". In den Folgestunden verbreitete die Pariser Spitze den Eindruck, dass die beiden Stippvisiten der französischen Première Dame in Tripolis und deren "Vertrauensverhältnis" zu Gaddafi die Befreiung möglich gemacht habe. Neben dem Charme von Cécilia Sarkozy wollte das offizielle Frankreich lediglich sein humanitäres Engagement in Libyen eingesetzt haben: eine Krankenhausmodernisierung in Bengasi und den Empfang und die Behandlung von 150 HIV-positiven libyschen Kindern in Frankreich. Tags darauf beim Sarkozy-Besuch in Tripolis wurde eine Absichtserklärung über die Lieferung eines Atomkraftwerkes unterzeichnet. Auch das wendete Paris positiv für die europäische Öffentlichkeit. Das AKW diene der Meerwasserentsalzung, hieß es. Saif al-Islam Gaddafi hat die offizielle Pariser Darstellung durchkreuzt. Der 35-jährige Diktatorensohn, aussichtsreicher Nachfolgekandidat für den Colonel und Präsident der "Gaddafi-Stiftung", die auch die 1-Million-Dollar-Entschädigung an die Familien der HIV-infizierten Kinder eingefädelt hat, ergriff selbst die Initiative zu einem Interview mit Le Monde. Darin erklärt er, das AKW sei für Libyen eine "Nebensache" gewesen: "Wir haben selbst Brennstoffe." Im Zentrum der Verhandlungen um die Befreiung der Krankenschwestern habe das Rüstungsgeschäft gestanden. An der Schuld der Schwestern bei der HIV-Infizierung der libyschen Kinder habe er nie geglaubt: "Sie waren Sündenböcke."

Frankreich ist das erste Land, das nach Aufhebung des Boykotts wieder ein Rüstungsgeschäft mit Libyen macht. Die "Milan"-Panzerabwehrraketen und das "Tetra"-Kommunikationssystem werden von MBDA hergestellt, ein mit französischem, italienischem und britischen Kapital ausgestattetes Tochterunternehmen der EADS.

Cécilia Sarkozy hat sich seit ihrer Libyenreise nicht öffentlich geäußert. Sie macht jetzt mit Gatte Urlaub an einem See bei Boston, an dem sich auch US-Präsident Bush gelegentlich erholt. In Paris verlangen jetzt die Sprecherinnen und Sprecher der Opposition eine Untersuchung und Aufklärung über das Zustandekommen des Rüstungsgeschäftes mit Libyen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.