IT-Berufe: Mädchen von Mäusen abgeschreckt

Der Frauenanteil in IT-Berufen sinkt. Eine Studie untersucht, warum Mädchen Jobs mit Computern eher meiden. Arbeitgeber haben oft weniger Vorurteile als das soziale Umfeld.

Fürchten, technisch weniger begabt zu sein - Frauen am Rechner. : dpa

"Da kann eine Frau sich nicht so durchsetzen." - "Das wird ganz schwierig für Sie." - "Sie müssen sich darauf einstellen, dass Sie da als Mädel nicht genommen werden." Was sich anhört wie aus dem vorletzten Jahrhundert, ist die Wirklichkeit 2003 in der Berufsberatung der Arbeitsagentur. Frauen, die sich für technische Berufe interessieren, werden dort bisher eher demotiviert. Das ist eines der Ergebnisse der bisher größten deutschen Studie über den Einstieg von Frauen in IT-Berufe, die das Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit in den letzten Jahren durchführte und jetzt veröffentlichte. Dafür befragten die WissenschaftlerInnen deutschlandweit Auszubildende und Unternehmen über ihre Wahrnehmungen von Frauen in technischen Berufen.

In diesen Berufen werden zunehmend Fachkräfte gebraucht. Deshalb möchte auch die Bundesregierung Mädchen für technische Berufe gewinnen. Dennoch ist der Frauenanteil in den IT-Ausbildungsberufen stetig gesunken, 1997 waren es noch 13,8 Prozent, 2005 nur noch 9,1. Ziel der Studie war, Gründe für dieses Sinken ausfindig zu machen und Gegenstrategien vorzuschlagen.

Nicht nur die Bundesagentur kann junge, technikinteressierte Frauen entmutigen: "Es sind viele kleine Puzzlesteine, die zu diesem Bild beitragen", sagt die Soziologin Ulrike Struwe, die die Studie geleitet hat. Es fängt damit an, dass Jungen öfter in Cliquen unterwegs sind, in denen sie sich über Technik und Computer austauschen. Mädchen dagegen erklären in Befragungen: "Wenn ich denen erzählt habe: Ja, technischer Beruf, da haben mich alle für verrückt erklärt." Eine andere meint: "Meine Mama hat es nicht gerne gesehen, wenn ich etwas am Computer mache - das war für meine Eltern so: Frauen und Technik, na ja."

So kommt es, dass 43,2 Prozent der befragten Frauen unter den Auszubildenden angeben, dass sie Bedenken hatten, sich für die Ausbildung zu entscheiden, von den Männern waren es nur 17,2 Prozent. Der vorwiegende Grund der Mädchen: "Sie befürchten, technisch weniger begabt zu sein und in der direkten Konkurrenz mit Männern in diesen Berufen nicht mithalten zu können", heißt es in der Studie.

Interessanterweise teilen die Unternehmen diese Befürchtung oft nicht. Sie sehen nämlich erst mal auf die Schulnoten. Und da schneiden Mädchen häufig besser ab: In Mathe, Englisch und Deutsch haben mehr Mädchen als Jungen gute oder sehr gute Noten. Aber auch in Physik und Informatik gibt es nur minimale Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Wenn es um praktische Computerkenntnisse geht, sind die Mädchen bei Software-Fragen denn auch weitgehend gleichauf mit den Jungs, nur das Basteln an der Hardware blieb bisher eine Jungendomäne. Außer dem fehlenden "technischen Stallgeruch" gibt es also eigentlich wenig Grund für Mädchen, weniger Selbstbewusstsein zu entwickeln.

Das wissen auch viele Unternehmen. Sie lassen sich deshalb oft nicht vom Auftreten der Jungs täuschen, sondern entscheiden sich für Frauen, die ihnen kommunikativer und lernwilliger erscheinen. "Die Damen sind in der Regel ein bisschen reifer", meint etwa ein Personalchef. "Die Herren der Schöpfung sind oft dermaßen einseitig IT-orientiert, dass man sagt, die sollen besser bei ihrem PC bleiben." Die erfreuliche Botschaft: "Auch wenn Mädchen teilweise noch die Erfahrung machen müssen, dass sie in technischen Berufen gerade in kleinen Betrieben im Nachteil sind, gibt es keine grundsätzliche Ablehnung von Mädchen mehr. Besonders die Großunternehmen haben sich sehr geöffnet", so Struwe.

Dennoch ergibt sich in der Firma dann doch die eine oder andere Situation, in der den Jungs mit ihrem größeren Selbstbewusstsein dann auch die schwierigeren Aufgaben zugeteilt werden, was diese dann auch mehr fördert, stellten die ForscherInnen fest. Das könnte einer der Gründe sein, warum ein gutes Fünftel der weiblichen Auszubildenden gerne auch mal ein spezifisches Angebot für Frauen hätte, meint Struwe. Mit Fortbildungen könnte man Ausbilder für diese speziellen Gemengelagen sensibilisieren, so ihr Vorschlag. Auch auf dem Arbeitsmarkt befinden sich die Frauen leicht im Rückstand: Zwar sind insgesamt nur wenige arbeitslos, aber mit 4,8 zu 1,8 Prozent eben doch mehr Frauen als Männer.

Das größte Hindernis aber sieht Studienleiterin Struwe in Geschlechterbildern, die sich unbewusst fortsetzen. "Das schwierigste Problem bleibt, dass sich Mädchen oft schon in der achten Klasse festlegen und dann schlicht für weitere Berufsziele nicht mehr ansprechbar sind. Zudem ist problematisch, dass der von ihnen geäußerte Aspekt, 'etwas mit Menschen' machen zu wollen, mit 'anderen helfen' gleichgesetzt wird. Jungen wollen oft auch etwas mit Menschen machen, aber da gibt es diese Gleichsetzung nicht. Mädchen werden unbewusst in typische Frauenberufe geführt."

An dieser grundlegenden Orientierung könne man mit Projekten, die drei oder vier Jahre laufen, kaum etwas ändern, meint Struwe. Neben so grundlegenden Forderungen wie zielgruppenorientierter Berufsberatung und geschlechtersensibleren Lehrern, Eltern und Ausbildern ist deshalb ihr nächster Vorschlag ein nahe liegender: "Wenn in den Daily Soaps nicht Unternehmensberaterinnen, Adelige oder Reisebürokauffrauen dominierten, sondern junge Frauen in technischen Berufen Karriere machten, dann würde das das Blickfeld Mädchen sicher erweitern."

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