Japan-Wahlen: Zitterpartie für den Premier

Zwar wählen die Japaner am Sonntag nur die Hälfte des Oberhauses, der Urnengang gilt jedoch als wichtiger Test für Premier Shinzo Abe.

Premier Shinzo Abe muss am Sonntag mit einem Denkzettel rechnen Bild: dpa

"Its the economy, stupid!" - an den legendären Satz aus Zeiten des Wahlkampfes Bill Clinton gegen Bush senior in den USA der frühen 90er Jahre dürften Japans Ministerpräsident Shinzo Abe und seine Partei LDP bei den morgigen Oberhauswahlen erinnert werden. Wirtschaftswachstum und Exporterfolge hatten Abe glauben lassen, er könne Japan für seine nationalistische Agenda begeistern und müsse über Wirtschaftspolitik nicht weiter reden.

Mit Hilfe der massiven Militarisierung der Außenpolitik und des Abschieds von Japans pazifistischer Verfassung versucht Abe sein Land - auch gegenüber dem aufsteigenden China - zu positionieren. Auch eine Änderung des Erziehungsgesetzes, nach dem an Japans Schulen nun Patriotismus Pflichtprogramm ist, gehörte zu den Reformen, mit denen sich Abes Regierung in den ersten Monaten seiner Amtszeit auszeichnete. Auf die wachsende Verteilungslücke in seinem Land hat der Premier allerdings keine Antworten. "Abe hat es versäumt, Schwerpunkte zu setzen, die den Menschen wirklich am Herzen liegen", sagt der Ostasien-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik, Hanns Günther Hilpert, zur taz. Vor allem die zunehmende Zahl der irregulären Beschäftigungsverhältnisse schürten die Abstiegsängste der Japaner, so Hilpert. Zu Recht: Während sich in den 90er Jahren noch mehr als 90 Prozent der Japaner der Mittelschicht zugehörig fühlten, gelten heute mehr als 15 Prozent als relativ arm. Das heißt, sie leben von weniger als der Hälfte des landesweiten Durchschnittseinkommens.

Die Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse ist nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung (OECD) enorm gestiegen. Während 1990 etwa 19 Prozent der berufstätigen Bevölkerung befristetet arbeitete, ist es inzwischen beinahe ein Drittel. Die größte Oppositionspartei (PDJ) versucht denn auch, mit dem sozialen Pfund zu wuchern und wirft der Regierung vor, eine Zweiklassengesellschaft geschaffen zu haben.

Vor allem Jugendliche halten sich zunehmend mit kurzfristigen Jobs über Wasser. Kein Wunder, dass vor allem junge Wähler kein Vertrauen zu Abes Regierung haben. Umfragen zufolge vertrauen ihm nur 15 Prozent der 20 bis 39-jährigen Japaner. Auch bei der Gesamtbevölkerung kommt Abe inzwischen nur noch auf eine Zustimmungsrate von 30 Prozent. Denn auch wenn sich auf Abes Wahlveranstaltungen vor allem Rentner tummelten, dürfte die LDP auch bei diesen an Zuspruch verlieren. Jeder fünfte Japaner ist älter als 65. Die alternde Gesellschaft drückt kräftig auf die Sozialsysteme, weshalb die Renten kräftig gekürzt und die Eigenbeiträge für Arztbesuche angehoben wurden. Bei diesen Einschnitte machte sich keine Begeisterung breit, als bekannt wurde, dass die Daten von Millionen Rentenzahlern falsch berechnet wurden oder ganz verschwanden. Den Rentenskandal hat Abe zwar nicht zu verantworten, ausbaden muss er ihn dennoch.

Zwar wird morgen nur die Hälfte der 242 Sitze des Oberhauses neu vergeben. Selbst wenn Abes LDP - die das Land abgesehen von einer kurzen Unterbrechung seit 1955 regiert - hier die Mehrheit verliert, bleibt sie regierungsfähig. Entscheidend ist ihre Zweidrittelmehrheit im Unterhaus. Dennoch rechnen Beobachter im Falle einer gehörigen Wahlschlappe für die LDP derzeit mit allem - auch mit dem Rücktritt Abes. Wissend, wie es um seine politische Zukunft steht, verlegte sich der unpopuläre Abe zuletzt aufs Bitten. "Gebt mir eure Kraft", rief er jüngst auf einer Wahlkampfkundgebung, "ich kann es mir nicht erlauben, zu verlieren."

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