Kolumne: Frau Unruh, wir müssen reden!

Die Vorsitzende der Grauen Panther hat endlich wieder ein Thema: Die Absetzung von "Marianne & Michael" im ZDF.

Der Sinn gewisser Dinge scheint zum Glück einfach und klar. Manche existieren nur, um von dieser Frau gerettet zu werden. Die Firma Krupp zum Beispiel, in der sie 1941 als einfache Mitarbeiterin begonnen hatte, um sich dann zur Chefsekretärin hochzuarbeiten. Oder die Grünen, mit denen sie einen "Sprachrohr-Vertrag" abgeschlossen hatte, bevor die 1983 in den Bundestag eingezogen waren. Leider hielt der Vertrag nicht sehr lange, und Trude Unruh, heute 82 Jahre alt, gründete die Partei "Die Grauen Panther", um wiederum die Senioren zu retten.

Dann war es still und stiller um sie geworden. Bis das ZDF vor einiger Zeit Fatales ankündigte: Die Sendung "Lustige Musikanten" mit Marianne & Michael soll abgeschafft werden. Ab 2008 kein M-&-M-Ehepaar mehr, das Vorzeigepaar unter den Volksstars, keine Krise nie - über eine Ewigkeit von Jahren. Ihr Ende empörte ein Grüppchen, genannt "Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schlager und Volksmusik" so sehr, dass es ein Rechtsgutachten in Auftrag geben ließ, um das ZDF an seiner Achillesferse zu kriegen: Verstößt die Absetzung etwa gegen das Antidiskriminierungsgesetz? Werden die Älteren etwa diskriminiert? Trude Unruh schloss sich dem Protest sofort an. Weil damit alle beleidigt würden, "die Deutschland wieder aufgebaut haben". Welch ein Comeback!

Ich wählte die Nummer ihrer Parteizentrale in Wuppertal. Nein, Frau Unruh sei leider nicht zu sprechen, ich könne aber gern meine Fragen per E-Mail schicken, sie würde sie dann beantworten und zurückschicken. Ich malte mir aus, wie Frau Unruh auf einem Notebook meine Fragen beantworten würde, in einem netten Internetcafé in Wuppertal, und mailte die Fragen unmittelbar nach dem freundlichen Telefonat. Nur einen Tag später klingelte mein Telefon. Magdeburger Nummer. Ein Herr Dieter Meyer begrüßte mich und klärte mich in astreiner sächsischer Funktionärssprache über seine Mission auf: Als erster stellvertretender Bundesvorsitzender der "Grauen Panther" werde er mir Unruhs Antworten nun telefonisch übermitteln.

"Also", sagte er, "Ihre erste, also erstens: Wieso halten Sie das verbleibende Volksmusikprogramm im ZDF (Carmen Nebel etc.) nicht für ausreichend?" Er wiederholte meine Frage. "Also, ich sehe", fuhr er fort und stockte, "also sagt sie, Frau Unruh, ich gebe ja nur die Antworten durch, also ich sehe es so, dass der Versorgungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicher zu stellen ist gemäß des Bevölkerungsquerschnitts. Carmen Nebel ist nicht repräsentativ."

"Keine Altersdiskriminierung also", fragte ich nach, etwas abgelenkt von einem Faxgerät, das im Hintergrund fleißig fiepte, "sondern Sie meinen, dass die Interessen der Älteren nicht paritätisch vertreten werden?"

"So in dieser Richtung", konkretisierte er. Das Faxgerät fiepte munter weiter. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn richtig verstanden hatte, und versuchte es damit, meine letzte Frage vorzuziehen: "Welche Volksmusik hört denn Frau Unruh?" Er lachte. "Na, wissen Sie, also ZDF sieht sie nicht. Carmen Nebel, das ist nicht ihre Welt, aber Marianne und Michael, die sieht sie." - "Aber die sind doch auch im ZDF zu sehen?", meinte ich verwundert. "Ja, ja, aber Carmen Nebel mag sie nicht. Im Endergebnis: Klassische Volksmusik mag sie."

Klassische Volksmusik? "Ja, wissen Sie, alles, was man jetzt in den Sendungen sieht, ist ja abgewandelt, volkstümlich. Klassische Volksmusik, das ist schwer zu definieren, die ist ja aus historischem Grund entstanden aus Lieder, die mal Kunstlieder waren und vom Volk abgewandelt und gesungen wurden - ähnlich wie Kirchenlieder." Er hielt kurz inne und schlug einen entschuldigenden Ton an. "Wissen Sie, ich habe ja seit dem Interview von Frau Unruh in der Bild am Sonntag nun jeden Tag anderen Journalisten eine Antwort zu geben." - "Das heißt, Sie haben jetzt ein neues Spezialgebiet?", fragte ich. "Ja", sagte er und lachte, etwas gequält. Ich dagegen hatte, fürchte ich, eine ganz neue Erkenntnis: Der Sinn mancher Dinge besteht einfach darin, Trude Unruh zu retten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.