Flugzeugunglück: Über die Piste hinaus ins Inferno

Die Landebahn in hätte nicht freigegeben werden dürfen, weil das Regenwasser nicht ablaufen konnte. Luftfahrtexperten sprechen von einem "Skandal"

Aufräumarbeiten an der ausgebrannten TAM-Maschine. Bild: dpa

"Was da explodierte, war nicht nur der Airbus der TAM, sondern auch der letzte Rest an Vertrauen in das Flugsystem des Landes und die Fähigkeit der Regierung und ihrer zuständigen Behörden, die Situation zu beherrschen", schreibt die Kolumnistin der Zeitung

Am Dienstagabend war der Airbus A 320 der brasilianischen Fluggesellschaft TAM auf dem Flughafen Congonhas von São Paulo beim Landen von der regennassen Piste gerutscht, über die angrenzende Avenida Washington Luís geschleudert, in eine Tankstelle gerast und explodiert. An Bord waren 180 Menschen. Die Zahl der Todesopfer ist noch unklar, da auch Menschen am Boden getötet wurden. Klar ist, dass es sich um das bisher größte Flugzeugunglück in Brasilien handelt.

Auf dem Stadtflughafen Congonhas starten und landen vor allem innerbrasilianische Flüge. Congonhas gilt unter den Piloten als schwierig. Die Start-und-Lande-Bahnen sind kurz, die Einflugschneisen ziehen sich knapp über die umliegenden Hochhäuser. Im Februar hatte deshalb ein Gericht die Starts und Landungen großer Maschinen untersagt. Nach Angaben der deutschen Aerosecure hätte der A 320 nicht in Congonhas landen dürfen. Das Urteil war jedoch in der letzten Berufungsinstanz aufgehoben worden.

Die Landebahn war im Mai erneuert worden. Die Behörde für Unfallursachenforschung und -vorsorge (Centro de Investigação e Prevenção de Acidentes Aeroportuários - Cenipa) hatte zuvor Starts und Landungen auf der Unglückspiste bei Regen untersagt. Noch immer fehlten die sogenannten groovings, die Rillen in der Fahrbahndecke, die das Regenwasser ablaufen lassen. Die sollten in einer zweiten Bauphase bis Ende September angebracht werden. Die Flugsicherheitsbehörde Infraero hatte dennoch die Landebahn am 29. Juni wieder freigegeben.

Infraero wird von den brasilianischen Streitkräften betrieben und kontrolliert und untersteht nicht der normalen Kontrolle der Regierung. Das Argument: Im Winter regnet es in São Paulo nur selten. Die Pseudometeorologen der Flugsicherung irrten sich. Am Montag und Dienstag hatte es über São Paulo kräftig geregnet. Am Montag kam bereits eine Propellermaschine ins Rutschen, am Dienstag verunglückte der Airbus der TAM.

Die Freigabe war "eine mörderische Unverantwortlichkeit. Infraero hat sich des kollektiven Massenmordes schuldig gemacht", sagte Luftfahrtexperte Gianfranco Betting der Nachrichtenagentur Agência Estado. "Der Flughafen nahm die Landebahn wegen des öffentlichen Drucks wieder in Betrieb", so seine Vermutung. Betting könnte recht haben. Der Flugverkehr in Brasilien ist in den letzten Jahren zu schnell gewachsen, als dass die Investitionen in Flugsicherheit und Ausbildung hätten mithalten können. Die Situation auf den Flughäfen und im Luftverkehr ist seit Monaten angespannt bis chaotisch.

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