Kolumne: Die Einladung

Bin ich jetzt eingeladen oder nicht oder einfach nur paranoid? Es macht mich wahnsinnig.

Manfred und ich waren befreundet. Und dann hat Manfred den Arbeitgeber gewechselt. Wir verloren uns aus den Augen, trafen uns nur noch zufällig auf Partys von gemeinsamen Bekannten, aber dann freuten wir uns. Und dann also die Einladung: Manfred wollte heiraten und ich sollte dabei sein. Um zehn Uhr am folgenden Sonntag in einer Kirche ganz bei uns in der Nähe. Ich rief Manfred an und bedankte mich für die Einladung. Er freute sich darüber, dass ich kommen wolle. Und lud mich noch zu seinem Junggesellenabschied ein. Der sollte zwei Tage vor der Hochzeit stattfinden.

Es war ein lustiger Abend, so wie Junggesellenabschiede sein sollen: Manfred und sieben Freunde tranken sich durch die Nacht. Nach dem siebten Bier, Manfred war gerade auf der Toilette, war die bevorstehende Hochzeit Tischgespräch: Ob denn schon alle wüssten, wie sie hin kämen? Die Anfahrtsskizze sei ja ziemlich verwirrend. Ob denn schon alle eine Übernachtungsmöglichkeit hätten?

Ich wusste dazu nichts zu sagen. Meiner Einladung war keine verwirrende Anfahrtsskizze beigelegen. Es gab keine Anfahrtsskizze. Ich wusste genau, wo ich übernachten würde: daheim. Ich war, das dämmerte mir beim mittlerweile achten Bier, nur zur kirchlichen Trauung eingeladen. Aber nicht zur Party. Als einziger der Anwesenden. Aber warum dann zum Junggesellenabschied? Oder hatte Manfred einfach vergessen, meiner Einladung die Anfahrtsskizze beizulegen? Oder hatte ich sie übersehen? Sollte ich ihn fragen? Ich schluckte mein Bier herunter. Die Frage auch. Am Sonntag ging ich zur Trauung. Und dann heim.

Mittlerweile habe ich gelernt: Es ist völlig legitim, Hochzeitsgäste in zwei Gruppen zu teilen: Die für die Kirche und die für die Kirche und die Party. Kein Grund zur Sorge. Kein Grund zur Panik.

Aber dann passierte folgendes: Ein Jahr war vergangen, da traf ich Manfred auf ein Bier. Wir plauderten über dies und das, und dann erzählte er mir von der großen Party, die er demnächst ausrichten wolle. Und ich sei eingeladen. Die Einladung würde er noch schicken. Zwei Monate vergingen. Da sprach mich ein Arbeitskollege an: Ob ich denn auch zu Manfred kommen würde? Hmmm. Wann? Wozu? Na, zu der Party, sagte der Kollege. Ich sei doch auch eingeladen? Nun, war ich nicht. Der hat nur vergessen, dir eine Mail zu schicken, sagte der Kollege. Ich fragte ein wenig herum. Drei weitere Kollegen hatten eine Einladung bekommen. Ein weiterer, mit dem Manfred auch eng zusammengearbeitet hatte, nicht. Wir berieten uns. Warum hatte uns Manfred vergessen? Sollten wir ihn anrufen und fragen? Oder einfach hingehen und so tun, als hätte er uns doch eingeladen? Nein, das wäre extrem uncool.

Wir entschieden uns, nicht hinzugehen. Und einem von jenen Kollegen, die eingeladen waren, schöne Grüße aufzutragen. Manfred sollte ruhig wissen, dass er uns vergessen hatte. Guter Plan, dachten wir. Am nächsten Tag kam der Kollege, der ebenfalls nicht eingeladen war, zu mir, grinsend: Es habe sich ja alles aufgeklärt. Wie, aufgeklärt? Ich verstand nicht. Schau doch mal in den Spam-Ordner deiner E-Mails, sagte der Kollege. Die Einladung ist dort gelandet. Mag sein, dass seine Einladung dort gelandet ist. In meinem Spam-Ordner gab es keine Einladung. Da hatte ich schon ganz am Anfang nachgesehen. Oh, sagte der Kollege.

Am Abend klingelte mein Telefon. Manfred war dran. Er wolle mich zu seiner Party einladen. Ach, das sei ja nett, sagte ich. Warum er mir denn keine Mail geschickt habe wie den anderen? Besondere Gäste werden angerufen, sagte Manfred. Mir kam ein Verdacht. Am nächsten Morgen griff ich mir den anderen Kollegen: "Hast du Manfred gesagt, er soll mich einladen?" Er druckste herum. Ich sei doch so geknickt gewesen. Da habe er Manfred eine Mail geschickt. "Ach, darum hat der mich gestern angerufen", sagte ich. "Moment", sagte der Kollege. "Ich habe ihm die Mail erst heute früh geschickt." Manfred macht mich wahnsinnig. Was soll ich tun? Alles wäre peinlich. Ich glaube, ich werde mich am Samstag unter meinem Bett verstecken.

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