Polen: Routine in Regierungskrisen

Nach der Entlassung von Minister Lepper steht die national-konservative Regierung vor dem Aus. Im Herbst könnte es Neuwahlen geben.

Bauernführer Lepper verlässt die polnische Regierung. Bild: reuters

WARSCHAU taz Das Spiel "Wie löse ich eine Regierung auf?" kennen die Polen schon. Als Premier Jaroslaw Kaczynski am Montagabend überraschend Landwirtschaftsminister Andrzej Lepper wegen des Vorwurfs der Korruptheit entließ, griffen die Oppositionsführer routiniert in die Schubladen des politisch schon öfters Erprobten. Die Polen sind Ähnliches schon gewohnt.

Einen Beweis für die Korruptionsvorwürfe gegen Lepper konnte Kaczynski zwar nicht vorlegen, doch die Koalition zwischen Kaczynskis national-konservativen Partei Recht und Gerechtigkeit und der populistischen Bauernpartei Samoobrona (Selbstverteidigung) Leppers schien damit - wieder einmal - am Ende.

Vor knapp einem Jahr hatte Kaczynski schon einmal Lepper gefeuert. Damals, weil Lepper dem Haushaltsbudget nicht zustimmen wollte. Am Ende musste Kaczynski ihn wieder in die Regierung aufnehmen, da keine andere Partei mit der PiS zusammengehen wollte.

Diesmal aber scheint der Bruch endgültig zu sein. Es gehe um mehre Millionen Zloty (einige Millionen Euro) Schmiergeld. Das Geld soll ein Beamter im Landwirtschaftsministerium für die Umschreibung von landwirtschaftlich genutztem Land in Bauland gefordert haben, verriet Kaczynski. "Lepper gehört zum Kreis der Verdächtigen." Der gefeuerte Minister beteuert dagegen seine Unschuld und drohte: "In diese Regierung kehre ich nicht mehr zurück. Das ist das Ende der Koalition." Damit hat die Regierung die Mehrheit im Sejm, dem Abgeordnetenhaus, verloren. Wieder einmal.

Routiniert stellte Wojciech Olejniczak vom Bündnis der Demokratischen Linken (SLD) den Antrag auf Selbstauflösung des Sejms. Dies würde Neuwahlen noch in diesem Jahr ermöglichen. Regulär würde erst im Herbst 2009 gewählt werden. Für die Annahme des Antrags ist allerdings eine Zweidrittelmehrheit der 460 Abgeordneten erforderlich. Erfahrungsgemäß ist sie im polnischen Sejm nur schwer zu erreichen.

Donald Tusk von der liberalen Bürgerplattform (PO), der größten Oppositionspartei, ging einen anderen Weg, um das gleiche Ziel zu erreichen. Er stellte gleich 19 Misstrauensanträge. "Wir werden über jeden Minister einzeln abstimmen", erklärte Tusk. "Auch so kann man eine Regierung stürzen. Wenn die gesamte Opposition mitzieht, gibt es im Herbst Neuwahlen."

Noch ist nicht sicher, wann über die Misstrauensanträge abgestimmt wird, da die Sejmsitzung vom Dienstag die letzte vor der Sommerpause war. Diese parlamentarische Pause dauert bis zum 22. August.

Vor Neuwahlen fürchten sich indes nur die Vorsitzenden der beiden bisherigen Kaolitionsparteien der PiS, Andrzej Lepper von der Bauernpartei Samoobrona und Roman Giertych von der rechtsradikalen Liga der polnischen Familien (LPR). Neuesten Umfragen zufolge würden die bisher führenden Parteien, die oppositionelle PO und die Regierungspartei PiS, wieder mit jeweils 27 bzw 25 Prozent der Stimmen in den Sejm einziehen.

Der bisher noch außerparlamentarische Parteienzusammenschluss der Linken und der Demokraten LiD käme auf 12 Prozent. Und sogar die Samoobrona Leppers, die in den letzten Monaten regelmäßig unter der 5-Prozent-Hürde landete, könnte es gerade noch einmal schaffen.

Sollten allerdings Abgeordnete zur PiS wechseln, wie es ihnen angeboten wird, würde dies das Ende der Samoobrona im Sejm bedeuten. Keine Chance auf einen Wiedereinzug in den Sejm hat Giertychs LPR. Für sie wollen laut Umfragen gerade mal 2 Prozent der Wähler stimmen.

Auch Jaroslaw Kurski, stellvertretender Chefredakteur der linksliberalen Zeitung Gazeta Wyborcza, hofft auf Neuwahlen. "Diese Koalition ruiniert Polen und macht uns zum Gespött Europas", kommentierte er am Dienstag. "Es ist gut, dass sie endlich am Ende ist."

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