Kommentar: Kim Jong Il rettet sein Überleben

Wenn der nordkoreanische Diktator Atominspektoren ins Land lässt, dann nur, weil er und sein Land davon massiv profitieren.

Als George W. Bush vor über fünf Jahren Irak, Iran und Nordkorea als "Achse des Bösen" titulierte, musste das Land auf Anhieb als größter der drei Bösewichte erscheinen. Dort hatte Diktator Kim Jong Il um die Jahrhundertwende mutmaßlich mehrere Millionen Menschen verhungern lassen, um sein Regime zu retten und insgeheim Atomwaffen zu bauen. Folglich herrschte auch in Washington nie ein Zweifel daran, dass Kim ein viel größerer Verbecher war als Saddam Hussein oder der iranische Präsidenten Ahmadinedschad.

Doch ausgerechnet Kim hat sein politisches Überleben nun offenbar gesichert. Erstmals seit Dezember 2002 lies er jetzt wieder die Wiener Atominspektoren ins Land. Und wenn deren Signale nicht täuschen, dann wird sich Nordkorea an das im Februar unterzeichnete Abkommen mit den USA, China, Russland, Japan und Südkorea halten. Zwar ist Kim für rasche Kehrtwendungen bekannt. Doch zu groß scheint diesmal der Gewinn für ihn.

Schon haben die USA in der Spielhölle Macao festgesetzte Dollarmillionen aus Nordkorea zurückgezahlt und Finanzsanktionen gestoppt. Schon winkt Südkorea mit Milliarden Tonnen Öllieferungen. Kim kann das alles nur stärken. Denn selbst wenn er seine Zusagen einhält, die Atomanlagen schließen lässt und vorhandene Waffen in einem voraussichtlich Jahre dauernden Verhandlungsprozess abrüstet, wird man in ihm immer noch den Besitzer der Atombombe wähnen. Nordkoreas erfolgreicher Atomwaffentest im letzten Jahr lässt sich politisch nicht revidieren, solange ein Bösewicht wie Kim regiert.

Das Ergebnis der amerikanischen Achsen-Politik ist also äußerst ungerecht: Ausgerechnet der größte Schurke kommt am besten davon. Und trotzdem muss man es begrüßen. Washingtons neokonservative "Regime Change"-Politik hatte in Korea nie ein Chance. Für einen Sieg über Kim gab es nie eine militärische Hauruck-Option, sondern immer nur die langsame Unterwanderung durch chinesische und südkoreanische Kapitalisten. Die folgen jetzt hoffentlich den Wiener Inspektoren.

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Georg Blume wurde 1963 in Hannover geboren und ist gelernter Zimmermann. Er leistete seinen Zivildienst in einem jüdischen Kinderheim sowie in einem Zentrum für Friedensforschung in Paris. Danach blieb Georg Blume in Frankreich und wurde Korrespondent der taz. 1989 wurde er Tokio-Korrespondent der taz, ab 1992 auch für die Wochenzeitung DIE ZEIT. Von 1997 bis 2009 lebte er in Peking, wo er ebenfalls als Auslandskorrespondent für die ZEIT und die taz schrieb, seit August 2009 ist er für die beiden Zeitungen Korrespondent in Neu-Delhi. Bekannt geworden ist Georg Blume vor allem durch seine Reportagen über Umweltskandale und Menschenrechtsverletzungen in China. Für dieses Engagement erhielt er 2007 den Liberty Award, mit dem im Ausland tätige Journalisten für ihre couragierten Berichterstattungen gewürdigt werden. 2012 wurde er mit dem Medienethik-Award META der Hochschule der Medien in Stuttgart ausgezeichnet. Publikationen: „Chinesische Reise“, Wagenbach, Berlin 1998. „Modell China“, Wagenbach, Berlin 2002. „China ist kein Reich des Bösen“, Körber, Hamburg 2008.

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