Prozesse: Ex-Präsident Taylor boykottiert Gericht

Liberias früherer Präsident Taylor weigert sich, das Sierra-Leone-Tribunal anzuerkennen. Doch in Westafrika ist der Ruf nach Gerechtigkeit laut.

Boykottiert das Gericht: Liberianischer Ex-Präsident Taylor Bild: dpa

DEN HAAG taz Jedes Gerichtsverfahren ist ein Theaterstück, aber das gegen den früheren liberianischen Präsidenten Charles Taylor ist eine Tragikomödie. Das liegt nicht an den rot-schwarzen Roben des Vorsitzenden Richters und seinen ernsten Gesten, auch nicht an der Wortklauberei des inzwischen gefeuerten Verteidigers Karim Kahn. Es gibt auch keine großen Emotionen, keine Passion, sodass die Sonderberichterstatter in Den Haag vergeblich im Zuschauerraum jemanden aus Liberia oder Sierra Leone suchen, um eine "authentische Stimme" zu bekommen.

Im Gerichtssaal herrscht Leere: keine Bilder eines Charles Taylor in Handschellen, und der Botschafter von Sierra Leone in Belgien, der sich im Publikumsraum in die erste Reihe setzte mit den unsterblichen Worten "We got him!", die einst die Festnahme Saddam Husseins begleiteten, lächelt vergeblich.

In den Vorverhandlungen hatte Taylor sich noch das Recht ausbedungen, eine Sonnenbrille zu tragen, beschwerte sich über die "eurozentrische Nahrung" im Gericht und wollte reden, ohne dass man ihm das Wort erteilt hatte. Jetzt weigert er sich, aufzutreten, und zwar ohne Begründung. Es ist ein erster Schritt zur Nichtanerkennung eines Tribunals, das er bisher akzeptiert hat. Für den Angeklagten ist die Eröffnung des Verfahrens gegen ihn nur eine weitere Inszenierung unter vielen gewesen.

Viele Afrikaner sind tatsächlich der Meinung, dass ein Prozess in den Räumen des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag nur "Siegerjustiz" sein kann. Taylor steht zwar vor dem Sierra-Leone-Tribunal, aber es geht hier um ein Symbol. Die Verfahren des Strafgerichtshofs betreffen tatsächlich bislang ausschließlich Afrika: Uganda, die Demokratische Republik Kongo, die Zentralafrikanische Republik, Darfur im Sudan. Für den Irak hat sich Chefankläger Luis Morecno-Ocampo hingegen unzuständig erklärt. Der Strafgerichtshof scheint an einem Muskel-Tic zu leiden, der ihn dazu bringt, den Blick nur zu heben, wenn ein Afrikaner vorbeiläuft.

Aber die internationale Justiz ist international. Afrikaner gibt es auch unter den Geschworenen, die über Taylor richten sollen. Das Sondertribunal für Sierra Leone ist nur die Spitze eines komplizierten juristischen Eisberges, der sich in Sierra Leone selbst mit zahlreichen anderen Fällen befasst. Malick Sow, der senegalesische Vertreter der Anklage, greift zu sierra-leonischem Pidgin-Englisch: "net long so tay, doh must clean", was so viel heißen will wie: so lang die Nacht auch sein mag, nach ihr kommt der Tag. Ein Satz, so universell wie die Justiz.

Der Ruf nach Gerechtigkeit ist am lautesten im Staub der Straßen Sierra Leones und in der Enge der Hütten Liberias, und das Fehlen von Gerechtigkeit wird dort am meisten beklagt. Die Opfer sind klein, gebeugt, verunstaltet, vergewaltigt oder tot, und ihr Recht ist auf die Richter von Den Haag übertragen worden. Warum steht denn Taylor überhaupt dort vor Gericht? Weil die Präsidenten von Sierra Leone, Liberia und Nigeria sich entschieden, sein Exil zu beenden, und ihm einen Haftbefehl zustellen ließen. Nicht Afrika steht vor Gericht, sondern Afrika stellt einen Menschen vor Gericht. Und es geht jetzt erst richtig los.

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