Korruption: Alle wollen plötzlich Aufklärer sein

Innen- und Justizminister zeigen Einigkeit beim Filzaufräumen. Der Datenschützer kriegt den Schwarzen Peter.

Zwei Minister: Wollen Sie die brutalstmögliche Aufklärung? Bild: dpa

Mit "lieber Geert" sprach Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) Justizminister Geert Mackenroth (ebenfalls CDU) an. Und auch der bedankte sich mit den artigsten Komplimenten bei seinem für den Verfassungsschutz zuständigen Kabinettskollegen. "Wenn Sie irgendwann einmal einen Chefaufklärer brauchen, der sitzt neben mir!" Vier Wochen nach den ersten Pressemeldungen über brisante Akten des Verfassungsschutzes zum Filz zwischen Staatsgewalten und Kriminalität in Sachsen gingen beide Minister gestern erstmals gemeinsam in die Verteidigungsoffensive.

Der demonstrierte Aufklärungswillen ist die Antwort auf Irritationen und Unstimmigkeiten zwischen beiden Häusern. So hatte Buttolo vor Racheakten weiterhin aktiver mafiöser Strukturen gewarnt. Mackenroth hingegen betonte auch gestern, Sachsen sei kein Sumpf, sondern es gelte lediglich einige Feuchtgebiete trockenzulegen. Chefermittler Henning Drecoll von der Dresdner Staatsanwaltschaft hatte noch vor zwei Tagen ultimativ die Überstellung aller betreffenden Verfassungsschutzakten an die Staatsanwaltschaft bis zum 1. Juli gefordert. Gestern nun hieß es, man habe sich auf die Modalitäten der Übergabe geeinigt. Außerdem gehe es zunächst nur um den brisantesten von fünf Themenkomplexen unter dem Dossiernamen "Abseits".

Innenminister Buttolo dementierte Vertuschungsabsichten seines Hauses. "Wenn wir ein Interesse daran gehabt hätten, hätten wir nur der Aufforderung des Datenschutzbeauftragten folgen und die Akten schreddern müssen", schob er Verantwortung erneut dem sächsischen Datenschutzbeauftragten Andreas Schurig (SPD) zu. Der hatte bereits im Mai 2006 Zweifel an der Rechtmäßigkeit der fortgesetzten Datensammlung durch den Verfassungsschutz geäußert, nachdem die Beobachtung der organisierten Kriminalität für verfassungswidrig erklärt worden war. Diese unsichere Rechtslage habe die Überstellung der Akten an die Staatsanwaltschaft behindert. Aus einer von Buttolo vorgelegten Zeittafel geht allerdings hervor, dass das Landesamt für Verfassungsschutz schon im Dezember 2005 einen Vermerk für die Information der Parlamentarischen Kontrollkommission angefertigt hat.

Zum Stand der Ermittlungen verriet Justizminister Mackenroth nur, dass von geschätzten 50 Fallkomplexen etwas mehr als die Hälfte bereits justiziabel waren oder sind. Das nährt Spekulationen, unter den ominösen Verfassungsschutzakten seien auch jene Polizeiakten, die das Landeskriminalamt 2002 bei den eigenen Leipziger Ermittlern konfiszierte. Beide Minister räumten ein, dass die Strafverfolgung durch den erforderlichen Informantenschutz behindert werden könnte. Die Akten werden vor der Übergabe an die Staatsanwaltschaft entsprechend bearbeitet.

Generalbundesanwältin Monika Harms, die ebenfalls Kopien erhält, will weiterhin nicht eingreifen. Das habe Karlsruhe nach Durchsicht weiterer Unterlagen aus Dresden mitgeteilt, sagte Mackenroth. MICHAEL BARTSCH

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