WENN DIE EIGENEN VIER WÄNDE IMMER EIN TRAUM BLEIBEN
: Sklave in Sachen Wohnung

von Jutta Lietsch

NEBENSACHEN AUS PEKING

Unser Bekannter Wang Zhao kennt sich mit Wohnungen aus. Seit über sieben Jahren arbeitet er in Peking auf dem Bau. In dieser Zeit hat er unzählige Appartements und Hochhäuser hochgezogen. Früher war er Bauer, seine Familie lebte über tausend Kilometer entfernt auf dem Dorf. Nachdem Wangs ältester Sohn auch beim dritten Anlauf die Aufnahmeprüfung für die Universität verpatzt hatte, platzte dem Vater der Kragen. „Du musst endlich Geld verdienen.“

Jetzt gehört der Sohn zum Bautrupp von Wang. Zusammen verdienen sie gut 4.500 Yuan im Monat, das sind rund 450 Euro. Davon können sie keine großen Sprünge machen. Vor allem aber können sie sich nie den Traum von einer eigenen Wohnung in Peking erfüllen. „Unmöglich“, sagt Wang Zhao. „Dafür müsste ich mehrere Leben arbeiten.“

Als „Wohnungskredit-Sklaven“ bezeichnen sich in China heute Familien, deren Leben sich nur noch darum dreht, wie sie genug Geld für ihre eigenen vier Wände aufbringen können. Nach amtlichen Statistiken betrug das jährliche Durchschnittseinkommen in der Hauptstadt 2008 rund 4.330 Euro, der durchschnittliche Quadratmeterpreis lag bei 1.510 Euro. Für die billigsten Immobilien am Stadtrand werden immer noch mindestens 800 Euro pro Quadratmeter verlangt. Dafür bekommt man in der Regel nur nackte Räume: Fußböden, Bad, Kücheneinrichtung und Türen müssen extra bezahlt werden.

Neureiche Chinesen und Leute mit guten Beziehungen zur Stadtverwaltung haben keine Probleme, Appartements und Villen zu kaufen und jahrelang leer stehen zu lassen. Sie glauben, dass die Preise in Peking weiter steigen und sie ihre Investition mit sicherem Gewinn weiterverscherbeln werden.

Kein Wunder also, dass die Serie „Schneckenhaus“ zu den beliebtesten Programmen im chinesischen Fernsehen gehört. Im Mittelpunkt steht eine junge Frau: Sie entscheidet sich, Geliebte eines korrupten Funktionärs zu werden, um ihrer älteren Schwester den Weg zu einer Wohnung zu ebnen. Der Liebhaber ist ein einflussreicher Mann, pflegt einen großzügigen Lebensstil und finanziert locker das Appartement. Nun debattieren die Zuschauer im Internet, ob die jüngere Schwester „unmoralisch“ oder „lobenswert“ ist, weil sie sich für ihre Familie opfert und als Zweitfrau lebt.