Wind- und Solarboom erfasst Nachbarn

STROM Selbst das Atomland Frankreich steigert seinen Anteil der erneuerbaren Energien deutlich. Auch in der Schweiz nimmt die Produktion von Atomstrom ab, dafür legt die Photovoltaik zu

Sonne und Wind können in Frankreich rechnerisch zwei große AKWs ersetzen

FREIBURG taz | Nicht nur in Deutschland macht die Energiewende Fortschritte, auch in den Nachbarländern gewannen die erneuerbaren Energien im Jahr 2012 rasant an Bedeutung – in der Folge ging im vergangenen Jahr sowohl in Frankreich als auch in der Schweiz die Stromerzeugung aus Atomkraft leicht zurück.

Nach Zahlen des französischen Übertragungsnetzbetreibers RTE erzeugte das Land im Jahr 2012 fast 4 Prozent weniger Atomstrom als im Jahr zuvor. Einer der Gründe ist der beachtliche Ausbau von Windkraft und Photovoltaik: Französische Windräder produzierten im Jahr 2012 fast 15 Milliarden Kilowattstunden. Das waren 23 Prozent mehr als im Vorjahr.

Die Photovoltaik legte 2012 sogar um 67 Prozent auf 4 Milliarden Kilowattstunden zu. Damit können Sonne und Wind in Frankreich inzwischen rein rechnerisch zwei große Atomkraftwerke ersetzen. Zum Vergleich: Frankreich erzeugte somit im vergangenen Jahr immerhin ein Drittel der Windstrommenge Deutschlands und etwa ein Siebtel des hierzulande erzeugten Solarstroms.

Auch in der Schweiz nahm die Atomstromproduktion leicht ab. In den ersten drei Quartalen 2012 – Zahlen für das Schlussquartal liegen bislang noch nicht vor – erzeugten die Reaktoren gut 2 Prozent weniger als im Vorjahr. Bei den Eidgenossen boomt die Photovoltaik ebenfalls: Das Jahr 2012 war mit Abstand das Jahr mit der höchsten Produktion in der Geschichte. Ende 2012 waren im Land etwa 330 Megawatt Photovoltaikkapazität installiert, rund 80 Prozent mehr als zwölf Monate zuvor. Die Leistung der Windkraftanlagen stieg zugleich zwar nur moderat um etwa 10 Prozent. Doch dafür erwartet die Branche für das laufende Jahr einen weiteren Ausbau um rund 20 Prozent.

Unterdessen geht auch in Österreich die Energiewende voran: Die Windbranche hat das beste Jahr aller Zeiten hinter sich. Mit einem Zubau von rund 300 Megawatt Anlagenleistung stiegen die Erzeugungskapazitäten um rund 30 Prozent. Dazu kommen Windräder mit einer Gesamtleistung von fast 1,4 Gigawatt, die Ende 2012 am Netz waren. 2013 wird die Entwicklung nach Einschätzung des Branchenverbandes IG Windkraft noch rasanter weiter gehen: 150 neue Windkraftanlagen mit zusammen rund 420 Megawatt Leistung seien zu erwarten.

Zugleich hat auch die Photovoltaik vergangenes Jahr im Alpenstaat erheblich zugelegt: Mit 66 Millionen Kilowattstunden in den ersten drei Quartalen 2012 lag die Solarstromerzeugung um rund 150 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum. Die Österreicher, die nie ein Atomkraftwerk am Netz hatten, sind bei der Energiewende getrieben von ihren heftig umstrittenen Atomstrom-Importen – spätestens im Jahr 2015 will das Land sich zum Stromexporteur wandeln.

BERNWARD JANZING