UN-Chef in Kabul geht, UN-Probleme bleiben

AFGHANISTAN II Kai Eide, der Karsais Wahlfälschung deckte, hinterlässt eine beschädigte UN-Mission

BERLIN taz | „Dies ist keine Frage eines Rücktritts“, heißt es in einer gestern eilig verbreiteten Erklärung der UN-Mission in Afghanistan (Unama). Darin erklärt deren Sprecher Dan McNorton, dass Missionschef Kai Eide seinen zum März auslaufenden Zweijahresvertrag nicht verlängert. Über diesen Rückzug war in Kabul bereits spekuliert worden. Doch als gestern die Agenturen Eides Rücktritt meldeten, ging es Unama nur noch um Schadensbegrenzung. Eide habe sowieso nie vorgehabt, den Vertrag zu verlängern, so McNorton.

Ob Eides baldiger Abgang jetzt als Rücktritt oder ausbleibende Vertragsverlängerung bezeichnet wird, ist unerheblich. Längst ist klar, dass der UN-Chef in Kabul die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt hat. Spätestens mit den massiven Manipulation der afghanischen Präsidentschaftswahl und dem Streit darum, in dessen Verlauf Eides damaliger Stellvertreter Peter Galbraith seinen Chef schwer belastete, galt der 60-jährige norwegische Diplomat als beschädigt. Eide hatte versucht, die Fälschungen des Lagers von Präsident Hamid Karsai zu vertuschen, und fügte Unamas Glaubwürdigkeit damit großen Schaden zu.

Als der frühere norwegische Nato-Botschafter Eide im März 2008 dem deutschen Grünen-Politiker Tom Koenigs als Unama-Chef nachfolgte, war dies mit der Hoffnung auf einen starken Koordinator des zivilen Aufbaus verbunden. Der als profillos geltende Eide war aber nur ernannt worden, weil der kantige Brite Paddy Ashdown, der schon in Bosnien und Herzegowina die internationale Gemeinschaft vertrat, an Karsais Veto gescheitert war.

Koenigs, der heute für die Grünen im Bundestag sitzt, sagte der taz zu Eides Schritt, er könne verstehen, dass der seinen Vertrag nicht verlängern lasse: „Dem ist mit dem Anschlag auf das UN-Gästehaus mit acht Toten wirklich das Furchtbarste passiert – das, wovor ich immer Angst hatte.“ Und Querelen mit US-Vertretern habe es auch geben müssen: „Das ist nicht leicht, mit einem Partner zusammenzuarbeiten, der 80 Prozent der zivilen Hilfe repräsentiert, wenn man selbst 192 Nationen repräsentieren muss.“

Wie bei Eides Ernennung stellt sich auch bei seinem Abgang die Frage, wie die internationale humanitäre Hilfe und der zivile Wiederaufbau künftig zum Einsatz des Militärs und zur afghanischen Regierung positioniert werden sollen. So gibt es Forderungen nach einem zivilen Koordinator der internationalen Isaf-Truppe. Ein solcher würde den Einfluss der Unama, die ohnehin im Schatten des US-Militäreinsatzes steht, noch weiter schmälern. Eine Entscheidung könnte bei der internationalen Afghanistan-Konferenz am 28. Januar in London fallen. Als Nachfolger Eides im Gespräch sind der Schwede Staffan de Mistura, zurzeit UN-Sonderbotschafter im Irak und früher beim Welternährungsprogramm, und der Franzose Jean-Marie Guéhenno, Exchef der UN-Friedenseinsätze.

SVEN HANSEN, ULRIKE WINKELMANN