berliner szenen Trinken und Fahren

Endstation Albtraum

Eddie, ein Hobbyangler mit schwarzen Locken und verschmitztem Grinsen, wankte aus dem Melitta Sundström am Mehringdamm. Jürgen, sein belesener WG-Kumpel, hatte ihn mal wieder hierher gelotst – auf viel zu viele Hefeweizen natürlich, um ihm endlose Vorträge über Theodor Däubler zu halten. Es war Sonntag, drei Uhr morgens. Höchste Zeit, nach Hause in den Wedding zu fahren – Endstation Leopoldplatz. Doch irgendwo zwischen U-Bahnhof Kochstraße und U-Bahnhof Zinnowitzstraße musste Eddie eingenickt sein. Als er die Augen aufschlug, rollte der Zug bereits in den Endbahnhof Alt-Tegel ein.

Der Betrunkene torkelte auf den Bahnsteig und wartete fröstelnd auf die Bahn in Gegenrichtung. Das hatte er nun davon: Ein einziger, unverzeihlich unkonzentrierter – um nicht zu sagen: schwacher Moment, und das war das Ergebnis! Schließlich, nach ungefähr 20 Minuten, ging es in einem vollkommen leeren Waggon endlich zurück: bloß ins Bett! Eddie war noch immer wütend auf sich selbst. Doch das Nachdenken erschien ihm plötzlich auch schon wieder anstrengend – und als er die Augen aufschlug, rollte der Zug gerade im Bahnhof Mehringdamm ein. Stöhnend tapste Eddie aus dem Wagen und blickte halb bewusstlos auf die schwarze Anzeigentafel: nächster Zug Richtung Tegel in 18 Minuten! Das alles konnte doch nicht wahr sein! War das ein Albtraum? Wie kam er da bloß wieder raus? Eddie sah alles nur noch wie durch einen dichten Nebel von Müdigkeit, als endlich der nächste Zug anrollte. Irgendwie war ihm jetzt alles auch schon wieder egal. Als er in Alt-Tegel aufwachte, ging er hinaus und runter zum See, um auf einer Parkbank eine Zigarette zu rauchen. In Erwartung des Morgengrauens. JAN SÜSELBECK