Heimsieg in der Badewanne

Beim 14. Berlin Match Race traf sich am Wochenende auf dem Wannsee die Weltelite des Segelsports. Vertreter von fünf Americas-Cup-Syndikaten waren am Start. Der Berliner Jochen Schümann holte sich seinen sechsten Titel

Verärgert war sie nicht, im Gegenteil. „Das hättest du wohl gerne“, rief sie Jochen Schümann, dem dreifachen Olympiasieger und Americas-Cup-Gewinner, belustigt zu. Der saß in dem Boot, das nur wenige Meter von ihrem eigenen entfernt die Wendemarke passierte und hatte gerade Protest gegen ihre Fahrweise eingelegt. Vergeblich, wie Dorte Jensen, einzige Frau im Teilnehmerfeld, richtig vermutete. Die Szene, die sich am Wochenende auf dem Wannsee abspielte, zeigt, wie hart beim 14. Berlin Match Race um jeden Meter Wasser gekämpft wurde. Sie zeigt aber auch, wie locker die weltbesten Segler selbst in entscheidenden Wettkampfsituationen miteinander umgehen.

Beim Match Race treten die Teams nicht im Massenstart gegeneinander an, sondern ermitteln den Sieger im Duell Boot gegen Boot. In mehreren Runden wird das Teilnehmerfeld ausgedünnt, bis im Finale die Entscheidung fällt. Dabei geht es vor allem um Taktik: den Gegner blocken, abdrängen, ihm den Wind nehmen. Die Schiedsrichter entscheiden wie beim Fußball in Bruchteilen von Sekunden, ob einem Protest stattgegeben und eine Zeitstrafe verhängt wird.

Den kurzen Dialog zwischen der Dänin Dorte Jensen und dem Berliner Jochen Schümann erlebten die Zuschauer auf dem vom Hauptsponsor gecharterten Ausflugsdampfer live. Da die Distanz zu den Akteuren beim Segeln natürlich recht groß ist, wurden die Crews mit Mikrofonen ausgestattet, um ein Gefühl von Nähe zu vermitteln. Überhaupt macht die Nähe zu den Weltstars des Segelns das Berlin Match Race aus.

Da trinken die Fans mit Americas-Cup-Teilnehmern Tee, diskutieren mit deutschen Meistern über Manöver, und Dorte Jensen nutzt die Rennpausen, um ihre Tochter zu stillen. Die Segler, die sich hier in Kreismeisterschaft-Atmosphäre treffen, gehören zur absoluten Elite ihres Sports. Neben Jochen Schümann vom Alinghi-Team waren vier weitere Vertreter von Americas-Cup-Syndikaten am Start, die sich zurzeit bereits intensiv auf das Rennen im Jahr 2007 vor Valencia vorbereiten. Auch das erste deutsche Americas-Cup-Team, United Internet, schickte mit dem Dänen Michael Hestbaek einen Skipper.

Dass die Weltklasse-Segler überhaupt nach Berlin kommen, ist mit Blick auf die finanziellen Möglichkeiten der Veranstalter durchaus erstaunlich – es gibt weder Preisgeld noch Gagen. „Der späte Termin im November ist sicher ein Grund dafür. Und dass es Weltranglistenpunkte zu vergeben gibt“, sagt Andreas Schorr vom Verein Seglerhaus am Wannsee, der das Rennen gemeinsam mit dem Berliner Yacht-Club (BYC) organisiert.

Die Berliner Segel-Ikone Jochen Schümann hat zwar alle Meere der Welt gesehen, aber auch für ihn ist es „immer wieder toll, hierher zu kommen“. Dass der Wannsee kaum mehr als eine Badewanne ist, man ihn wegen seiner häufig drehenden Winde aber trotzdem schwer ausrechnen kann, darin waren sich alle Teilnehmer einig. Auch der Umstieg von den riesigen Americas-Cup-Yachten auf die kleinen Acht-Meter-Boote war für einige Steuermänner wohl schwieriger als vermutet. So gab es an den drei Renntagen einige Überraschungen.

Der Sieg von Dorte Jensen gegen Jochen Schümann in der Zwischenrunde zählt sicherlich genauso dazu wie das frühe Ausscheiden des Amerikaners Eric Doyle vom Americas-Cup-Team BMW Oracle. Schümann steckte die Niederlage gegen Jensen jedoch gut weg und demonstrierte am Finaltag deutlich, warum er als einer der besten Steuermänner der Welt gilt. Der nur leichte Wind ließ zwar keine rasanten Verfolgungsjagden zu, aber Schümann schien die wenigen Böen förmlich zu riechen – immer wieder fand er die richtige Linie auf dem Wasser. Im Finale setzte der Ausnahmesegler sich schließlich gegen Michael Hestbaek durch und verteidigte damit seinen Titel aus dem Vorjahr. Insgesamt war dies sein sechster Sieg beim Berlin Match Race. Dorte Jensen fährt nach ihrem Ausscheiden in der Zwischenrunde ohne Pokal nach Hause. Sie nimmt etwas anderes mit: Die Erinnerung an einen heiteren Wendemarken-Dialog und das gute Gefühl eines Sieges über den Sieger.

CHRISTO FÖRSTER