Keinen Dunst von der Gesetzeslage

Rauchwaren Tabakwerbung im Umfeld von Hochschulen? Geht gar nicht, sagt der Jugendsenat. Für die Kollegen von der Stadtentwicklung aber geht es doch

Unter dem Motto „Vive le Campus“ versuchte die Zigarettenfirma Reemtsma, um die Gunst von Studierenden zu werben. Im Mai und Juni dieses Jahres platzierten sich Promoter gegenüber der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) in Schöneberg mit einer Bude voller Schubladen. „Das Wahlfach“ hieß die Installation, die Nichtraucherschützer auf die Palme bringt. Denn in den Fächern befanden sich Zigaretten, gratis dargeboten – auch an die „Erstis“, die zum größten Teil unter 21 Jahre alt sind.

Der Schutz von „Heranwachsenden“ unter 21 aber ist im Tabakgesetz ausdrücklich verankert: Werbung, die besonders geeignet ist, Jugendliche und Heranwachsende zum Rauchen zu veranlassen, ist verboten. Das zuständige Bürgeramt erlaubte die universitätsnahe Zigarettenpromotion trotzdem. Es war der Nichtraucherlobbyist Johannes Spatz mit seinem „Aktionszentrum Forum Rauchfrei“, der öffentlich Einspruch erhob. Spatz wandte sich Ende Juni zusammen mit zehn UniversitätsprofessorInnen in einem Offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister. Ihre Forderung: Werbeaktionen der Tabakindustrie, die sich an Studierende richten, sollen in Berlin verboten werden.

Zunächst passierte nichts. Dann aber erhielt Spatz gleich zwei gegensätzliche Antworten aus der Verwaltung: „Eine Sommerposse“, wie er sagt. Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) unterstützte die Forderung nach zigarettenwerbungsfreien Hochschulen nachdrücklich. Und bat die Hochschulen, Tabak-Werbeaktionen auf ihren Geländen und in unmittelbarer Nähe zu verhindern.

Am selben Tag meldete sich auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Man könne Spatz’ Verbotswunsch nicht nachkommen, heißt es in dem Schreiben, denn die Tabakpromotionsstände verstießen nicht gegen Gesetze. Das Werbungsverbot für Tabakerzeugnisse gelte nicht für die Außenwerbung auf öffentlichem Straßenland. Auch das Jugendschutzargument zählt in den Augen der Stadtentwicklungsverwaltung nicht. Das Jugendschutzgesetz sei „insoweit nicht einschlägig“, lässt die Behörde wissen. Es verbiete „lediglich die Abgabe von Tabakwaren an Kinder und Jugendliche“, von Unis sei hier aber nicht die Rede.

Für Johannes Spatz ist das „fachlicher Unsinn“. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung habe offensichtlich keine Ahnung von der Rechtslage, so der Nichtraucher-Aktivist. Schon bei dem Gewinnspiel, das die Promoter für „über 18-Jährige“ verteilten, liege ein klarer Rechtsbruch vor. Bei den Ständen erst recht. Womöglich sei die Stadtentwicklungsverwaltung aber gar nicht zuständig. „Meine Anfrage wurde weitergereicht vom Verbraucherschutz zum Innensenat. Offenbar fühlte sich keiner zuständig“, sagte Spatz und mutmaßte: Am Schluss habe es halt die Behörde erwischt, die für den öffentlichen Raum zuständig sei. Die habe aber keine Ahnung von der Materie.

Die Tabakindustrie macht sich die Behördenmeinung gleich freudig zu eigen: Die Tabakzeitung, Organ der Tabakwirtschaft, vermeldete: „Der Berliner Senat hält die Zigarettenwerbung in der Nähe von Hochschulen für unbedenklich.“ So will man das in der Stadtentwicklungsverwaltung allerdings auch nicht verstanden wissen: „Inhaltlich sind wir ja mit Herrn Spatz d’accord“, sagte eine Behördensprecherin der taz. Aber: „Für uns gelten die Straßenregelungen. Und die verbieten solche Promotionsaktionen nicht.“ Nina Apin