Manche Häuser am Ort sind gar nicht wiederzuerkennen
: Die Durchsanierer

VogelfluglinieRebecca Clare Sanger

Heute ist Sonntag und ich fahre mit dem Fahrrad an den Strand, im Anhänger singen und gurren die Kinder. Die Felder sind mit Raps, Weizen und Saubohnen bestellt, Lärchen steigen auf und betäuben die Ohren mit Gesang und ich hoffe, dass die Zufriedenheit der Kinder in Schlaf umschwingt, dann kann ich in Råbylille Strand schnell baden.

In Råbylille Ort vergesse ich nach dem Dauerprojekthaus Ausschau zu halten. Als scheiternder Versuch mit umgekippten Schaukeln, angefangenen Malerarbeiten, halb untergebrachten Brennholzeinlagen und einem Wintergarten ohne was drin muss es den Nachbarn seit Jahren ein Grund zum Schimpfen sein. Ich gucke mir immer zuerst schadenfroh das Nachbarhaus an, mit Imitaten von antiken Steinamorengeln auf der Schottereinfahrt, hässlichen Rosenranken, geharktem Gras und einem giftgelben Anstrich. Ich sehe mir deren kitschigen Gartenwege an, mit kitschigen Vogeltränkchen, und dann sehe ich mir das Graus von einem Haus daneben an. Alles kann man eben nicht kon­trollieren.

Aber heute bin ich den anderen Weg gefahren; ich nehme mir vor, des Unbekannten Bauprojekt auf dem Rückweg in Augenschein zu nehmen.

Am Strand ist es leer, bis auf einen Deutschen. Er wandert mutterseelenallein umher, seine Kamera baumelt um seinen Hals und ist auch der Grund, weshalb er hier ist. Wunderschön, jedes Jahr komme er hierher, erzählt er. Ich wohne hier? Ob ich denn die… na, wie heißt sie denn, das Restaurant hier habe sie damals geführt. – „Vor 15-20 Jahren?“, frage ich. – „Genau, die ist auch Deutsche. – „Birgit. Birgit Schulze“, sage ich. „Mit der bin ich am Mittwoch auf einem Nachbarschaftsfest.“ – „Ach was“, sagt er.

„Mit ihr habe ich viele Jahre lang meditativen Ausdruckstanz gemacht. Aber nun habe ich seit fünf Jahren nichts mehr von ihr gehört. Grüßen Sie sie doch mal vom Peter.“

Auf dem Rückweg fahre ich am Haus vorbei. Aber ich finde es nicht. Ich gleiche die Straße und die Straßenhöhe ab, aber hier steht nun ein nigelnagelneu gestriegeltes Haus. Gleiche Proportionen, aber ansonsten nichts wie gehabt. Das Gras ist gemäht, ein Beet liegt schwarz auf dem Rasen. Eine Terrasse hat den Wintergarten ersetzt; es stehen zwei Stühle und ein Tisch darauf, die sich die Nachbarn hätten aussuchen können.

In meinem Fahrradanhänger schläft es und als zwei polnische Männer aus dem Haus kommen, bin ich neugierig und lasse mich herumführen. Eine neue Küche, neues Parkett in der Stube, die Trennwände weg, ein neues Schlafzimmer eingezogen, Elektrik und Isolation neu. Zwei Koteletts braten in Zwiebelsoße und riechen verführerisch. Sechs Wochen seien sie schon hier, es fehlen noch zwei Wochen, dann ist der Gartenschuppen in ein weiteres Schlafzimmer umgewandelt.

Ich mache sie ein wenig stolz auf ihre Arbeit, denn ich staune. Selbst zertifizierte Klempnerarbeiten können sie machen. „Für wie viel Geld?“, frage ich. „100 Kronen die Stunde, pro Mann.“ Das sind 12,50 Euro. Ob ich Søren kenne, Søren Ålborg? Der Name kommt mir bekannt vor. „Er hat die Autowerkstatt in Hjertebjerg.“ – „Ah, Søren, der Mechaniker“ sage ich. – „Der hat das Haus für 70.000 Kronen gekauft.“ – Das sind weniger als 10.000 Euro. Ich höre, dass ihm das gegenüberliegende Haus ebenfalls gehört. Das hatten Mirek und Jakob letztes Jahr hergerichtet.

Søren, den Mechaniker, nutzen wir nicht, der ist uns zu teuer.

Jakob und Mirek geben mir ihre Telefonnummer. Falls ich von einem anderen Haus wüsste, oder bei uns was ist. Ich frage mich, ob ich sie zum Nachbarschaftsfest am Mittwoch einladen soll. Ist ja nur um die Ecke von ihnen. Und im Moment wohnen die ja so gut wie hier. Kriegen bloß nicht so viel Lohn wie Einheimische. Nur noch drei mal Schlafen. Dann ist Straßenfest.

Rebecca Clare Sanger pendelt mit Mann und Kindern zwischen Hamburg und der dänischen Insel Møn; von ihr erschien bei Michason & May „Hamburg Walking“, ein Sammelband mit Hamburger Szenen aus der taz