Die Sau durchs Dorf treiben

Treibjagd Wir brauchen ihn nach wie vor: den guten, alten Skandal

Kleine und größere Skandale und erschüttern immer wieder das Land. In der Politik, im Sport, im Showbusiness, in der Wirtschaft weniger. Vor allem: Der Umgang mit ihnen hat sich verändert.

Heute wird, verstärkt durch Internet und Dauerbeobachtung der Social Media, jede Kleinigkeit skandalisiert. Journalisten, Staatsanwälte und selbst erklärte Aufklärer machen gnadenlos Jagd auf mögliche Verdächtige. Jeden Verantwortlichen und halbwegs Prominenten kann es treffen. Chancen, dem Sturm der Empörung zu entkommen, haben sie kaum.

Das sind grob zusammengefasst die Thesen des Bandes „Die Skandal-Republik“, den der Politikredakteur und Autor Ludwig Greven jetzt vorgelegt hat (Edition Lingen Stiftung). Bleibt die Frage: Stimmt das denn? Darf ein Skandal um die Plagiats­affäre des früheren Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg mit dem um die unterbliebene Aufklärung der NSU-Morde, dem Landesverrats-Vorwurf gegen Blogger oder mit den skandalösen NSA-Ausspähprogrammen verglichen werden?

Bei einem Skandal, so lernen wir bei Wikipedia, handelt es sich zuerst um eine (allgemeine) Entrüstung oder Empörung „im Sinne eines moralischen Gefühls“.

Das Wort leitet sich danach vom griechischen „skandalon“ ab, was Fallstrick, Anstoß oder Ärgernis meint. Skandale seien auch Ausdruck einer funktionierenden Öffentlichkeit und diese haben damit schon einmal einen positiven Aspekt. Darüber hinaus ließe sich argumentieren: Zu wissen, worüber sich eine Gesellschaft empört, lässt ablesen, wo überschrittene Grenzen liegen. Mit anderen Worten, wer die Skandale kennt, der kennt die Gesellschaft. Alles klar so weit? Deswegen müssen wir den Ausführungen des oben erwähnten Herrn Greven kurz widersprechen. Der Skandal ist vielleicht ein wenig auf den Hund gekommen. Wir brauchen in trotzdem.

Wolfgang Gast