Monet mit Kamera

LOW TECH Wolf Howard, Multitalent, kreativer Arbeitsloser und Drummer bei Billy Childish, zeigt in Berlin seine eigentümlichen Lochkamerafotografien

Der Mann ist konsequent. Früher hatte Wolf Howard, geboren 1968 in Strood, Südengland, immer Visitenkarten bei sich. Auf denen stand dann zu lesen: „self-unemployed since 1987“. Er ist überzeugter Arbeitsloser und hat, seit er die Schule verlassen hat, zwei Monate, einen Tag und eine halbe Stunde abhängig geschuftet. In seinem Wohnort Chatham hilft er einmal die Woche ehrenamtlich im Oxfam-Shop aus. Das hat mit dem Amt oder Ein-Pfund-Geschichten nichts zu tun und war’s dann schon. Der Rest der Zeit gehört der Familie und der Kunst, also dem Schlagzeug, der Lyrik, der Malerei und der Fotografie.

Wolf Howard trommelt bei Billy Childishs Buff Medways, Musicians of the British Empire und den Chatham Singers. Er hat zwei Gedichtbände veröffentlicht, deren Titel für sich selbst sprechen: „Journals of a Jobseeker“ (2004) und „Sadness Sits Waiting in the Strangest of Places“ (2007). In einem beim oberflächlichen Hinschauen bunt-naiven Stil malt er miteinander kämpfende Hunde, eine einsame Blumenvase, die auf der Fensterbank auf die Hundekälte schaut oder eine Schreibmaschine, die neben einer Zigarette im Aschenbecher wartet. Das alles entsteht in einer Kühlkammer im hinteren Teil seines Gartens.

Mit bewusster technischer Beschränkung zum Wesentlichen zu gelangen, ist die Arbeitsweise all der Bands, Maler und Autoren, die sich um Childish und Howard in Chatham und bei der internationalen antielitären Künstlervereinigung der Stuckisten sammelten. Und so fotografiert Howard auch, ohne digitale Krücken zu benutzen. Er geht zurück zum Anfang und zum Kern der Fotografie. Howard bedient sich seit 2002 des einfachsten Fotoapparats, den es gibt: der Lochkamera. Die ist nicht mehr als ein dunkler Kasten mit einer kleinen verschließbaren Öffnung, ohne Objektiv und ohne Sucher. Je nach Beschaffenheit der Lichtverhältnisse kann die Belichtung 40 Sekunden, eine Stunde oder auch einmal Tage dauern.

Die Fotografien, die so entstehen, sind schwarzweiß. Sie wirken wie aus einer anderen Zeit. Sie zeigen Reiseimpressionen, Stillleben und Porträts. Auch Howards Bands sind auf den Fotos zu sehen. Dass sie alte Uniformen tragen und vor dem Union Jack posieren, hat mit Nationalismus rein gar nichts zu tun. Es könnte eine Illustration zu Billy Childishs These sein – wobei er nicht der Einzige ist, der sie vertritt –, dass es der Schock der Weltkriege, speziell des Ersten Weltkriegs, sei, dem wir unsere unzulängliche Kultur verdanken.

Landschaften sind zu sehen, bei denen es fröstelt. Dann gibt es Aktfotografien, die mehr für die Fantasie tun als jedes Hochglanzmagazin. Viele der Bilder wirken seltsam unscharf. Wie mit einem Schleier überzogen zwingen sie zum genauen Hinschauen. Manchmal möchte man meinen, Claude Monet hätte eine Kamera dabeigehabt. Nur, dass Wolf Howard noch nicht museumsreif ist. Was keinesfall gegen ihn spricht.

ROBERT MIESSNER

■ Wooden Box. The Pinhole Photography of Wolf Howard. Bis 22. 12., Galerie Zero, Köpenicker Str. 4, Kreuzberg. Mi.–Sa. 12–18 Uhr